“ … Dem Kläger steht auf Grund des streitgegenständlichen Schadenfalls ein Anspruch aus §§ 1 Abs. 1 S. 1, 49 WG, § 12 Nr. 1, § 13 Abs. 5 u. 8 AKB in Höhe von 4.683,44 EUR zu …

1. Ob der Versicherungsfall Entwendung und eine von ihm erfasste Beschädigung des Fahrzeugs durch den oder die Täter (BGH VersR 1975, 225) eingetreten ist, kann dahinstehen. …

2. Dies folgt daraus, dass jedenfalls der Versicherungsfall Unfall nach dem unstreitigen Sachverhalt vorliegt.

a) Nach dem unstreitigen Parteivortrag des Klägers hat sich dessen Fahrzeug über eine kurze abschüssige Strecke bewegt, streifte dabei eine Mülltonne und geriet nach einer Linkskurve auf die linke Fahrbahnseite. Dort streifte es einen Baum und kam letztlich auf einer Gartenmauer zum Stehen, wobei es beschädigt wurde. Das Auffahren auf einen Gegenstand stellt indes einen Unfall i.S.d. § 12 Nr. 1 I. Buchst. e) AKB dar (vgl. Prölss/Martin-Knappmann, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl., § 12 AKB Rn 50).

2. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Kläger nicht ausdrücklich den Versicherungsfall Unfall geltend macht, sondern eine Entwendung vorträgt. Die Versicherungsfälle “Unfall’ und “Diebstahl’ stehen selbstständig und gleichwertig nebeneinander. Beide Tatbestände umschreiben jeweils die versicherte Gefahr und mithin die Voraussetzungen für den Eintritt des Versicherungsfalls (vgl. BGH VersR 1983, 289 f. … ). Der Versicherungsnehmer kann sich demnach selbst dann billigerweise auf einen Unfall berufen, wenn er zunächst eine Entwendung vortragen hat und deren Beweis misslingt (vgl. BGH VersR 1985, 78 f.; OLG Hamm VersR 1991, 261, 262; OLG Karlsruhe VersR 1992, 733 f.). Erst recht ist ein Unfall zu berücksichtigen, wenn er sich aus dem von Anfang an vorgetragenen unstreitigen Sachverhalt ergibt.

c) Unerheblich ist des Weiteren, wer das Fahrzeug des Klägers geführt hat bzw. ob es sich ggf. selbsttätig in Bewegung gesetzt hat, denn für die Annahme eines Unfalls reicht unabhängig von der Person des Fahrers der sichere Eintritt des Unfallereignisses aus (vgl. BGH VersR 1983, 289 f.).

3. Dafür, dass der Kläger den Unfall vorgetäuscht hätte, sind keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen bzw. sonst ersichtlich. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der Kläger die Entwendung vorgetäuscht hätte, ändert dies nichts daran, dass sich der Unfall real ereignet hat, was zwischen den Parteien auch unstreitig ist.

4. Die Beklagte kann sich auch nicht gem. § 2b Nr. 4 Buchst. e) AKB i.V.m. § 61 VVG auf Leistungsfreiheit berufen. Nach diesen Bestimmungen wird Versicherungsschutz in der Fahrzeug- und Schutzbriefversicherung nicht gewährt, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat. Dass der Unfall auf einem derartigen Verhalten des Klägers beruht, hat die Beklagte nicht bewiesen. …

d) Unstreitig ist lediglich, dass der Kläger den Pkw für etwa zehn Minuten vor seinem Elternhaus zurückgelassen hat, ohne diesen abzuschließen. Dies hat der Kläger eingeräumt und damit erklärt, dass er dies immer so mache. Ein solches Verhalten ist zwar u.U. geeignet, die Entwendung und damit einen auf diesem beruhenden Unfall zu erleichtern, und ist damit fahrlässig. Jedoch liegt hierin noch keine grobe Fahrlässigkeit.

Grob fahrlässig handelt derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dabei einfachste und nahe liegende Maßnahmen nicht ergreift, die im konkreten Falle jedem hätten einleuchten müssen ( … ). die Wahrscheinlichkeit des Schadens muss also offenkundig so groß sein, dass es ohne weiteres nahe lag, zur Vermeidung des Versicherungsfalls ein anderes als das tatsächlich geübte Verhalten auch mit Hinblick des Aufwands und der Kosten und Unbequemlichkeiten in Betracht zu ziehen …

Zwar sind Kraftfahrzeuge gem. § 14 Abs. 2 S. 2 StVO grundsätzlich gegen unbefugte Benutzung zu sichern. Jedoch führt das Unterlassen einer solchen Sicherung nach der Rspr. nicht in jedem Fall zur Annahme grober Fahrlässigkeit, sondern es ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen (vgl. Prölss/Martin-Knappmann, a.a.O., § 12 AKB Rn 110). Zu dem Unterlassen des Absperrens müssen weitere erschwerende Umstände hinzu kommen, etwa das Abstellen zur Nachtzeit oder mit laufendem Motor (vgl. OLG Köln VersR 1957, 733; LG Köln VersR 1993, 348) oder in einer Großstadt (vgl. LG Berlin VersR 1967, 223 f.), insbesondere wenn es sich um ein wertvolles Fahrzeug handelt (vgl. OLG Köln VersR 1965, 1066). Grobe Fahrlässigkeit liegt dagegen dann nicht vor, wenn das Fahrzeug nur kurzzeitig verlassen wurde und sich die Diebstahlsgefahr nicht aufdrängen musste (vgl. OLG Hamm VersR 1970, 314 f.). Zu berücksichtigen sind im Einzelfall auch, dass die Zeitdauer und die bestehenden Beobachtungsmöglichkeiten gegen grobe Fahrlässigkeit sprechen können (vgl. LG Köln VersR 1993, 348). So kann etwa das Verschließen des Fahrzeugs bei einem Beladevorgang nicht verlangt werden, da nach nur kurzer Unterbrechung immer wieder ...

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