1. Die Klage ist unbegründet. Der Kl. hat für den Zeitraum ab 1.6.2017 keinen Anspruch auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung gemäß § 1 Abs. 1 Buchst. a und b AVB-BU. Denn die Bekl. hat ihre Leistungen gemäß § 13 Abs. 4 AVB-BU wirksam eingestellt.

Die Bekl. hatte ihre Leistungspflicht zuletzt im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens am 14.6.2016 unbefristet anerkannt. Die Beendigung der Leistungspflicht richtete sich ebenfalls nach den Regeln des Nachprüfungsverfahrens.

a) Das Schreiben der Bekl. vom 11.4.2017 genügt den formellen Anforderungen. Nach § 13 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 AVB-BU hat der VR dem VN eine Mitteilung darüber zu machen, dass die bereits anerkannte Leistungspflicht wieder enden soll. Voraussetzung der Wirksamkeit einer solchen Mitteilung ist deren Nachvollziehbarkeit, also grundsätzlich eine Begründung, aus der für den Versicherten nachvollziehbar wird, warum nach Auffassung seines Vertragspartners die anerkannte Leistungspflicht enden soll (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, r+s 2000, 213, 215).

Hat sich der Gesundheitszustand nicht geändert, aber eine neue Verweisungsmöglichkeit ergeben, ist eine berufsbezogene Vergleichsbetrachtung nötig und es müssen die hieraus abgeleiteten Folgerungen aufgezeigt werden. Dabei sind die frühere, bis zum Eintritt der Berufsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit und die jetzt ins Auge gefasste Tätigkeit unter Darlegung der jeweiligen Anforderungen und erforderlichen Fähigkeiten sowie der finanziellen und sozialen Wertschätzung gegenüberzustellen (vgl. Prölss/Martin/Lücke, VVG, 31. Aufl., § 174 Rn 25; Knechtel in: Ernst/Rogler, Berufsunfähigkeitsversicherung, § 9 BUV Rn 111). Die Anforderungen an die Vergleichsbetrachtung sind jedoch geringer, wenn bei einer konkreten Verweisung der Versicherte den neuen Beruf – wie hier – bereits ausübt, ihn also kennt und zu einer entsprechenden Beurteilung in der Lage ist (vgl. BGH r+s 2000, 213; OLG Saarbrücken, r+s 2010, 521).

Die Einstellungsmitteilung vom 11.4.2017 stellt die frühere, bis August 2008 ausgeübte Tätigkeit des Kl. und die Vergleichstätigkeit mit ihren jeweiligen Anforderungen gegenüber. Auch die Einschränkungen im Rahmen der Vergleichstätigkeit werden genannt. Das Untersuchungsergebnis des vollständig beigefügten Gutachtens des Herrn Dr. S. vom 20.2.2017 wird übersichtlich und verständlich zusammengefasst. Dies gilt auch für die daraus abgeleitete Folge, wonach bei dem Kl. spätestens seit Januar 2017 ein bedingungsgemäßer Grad der Berufsunfähigkeit von mindestens 50 % nicht mehr vorliege. Die knappen Ausführungen zur Wahrung der Lebensstellung erwähnen zwar ausschließlich das nunmehr höhere erzielte Einkommen, sind aber als ausreichend zu betrachten. Erkennbares Ziel der Bekl. mit dem Schreiben vom 11.4.2017 war es, nach dem Wegfall der Berufsunfähigkeit die Leistungen zum nächstmöglichen Zeitpunkt einzustellen.

b) Die sich eröffnende Verweisungsmöglichkeit ist nicht durch zeitlich frühere Nachprüfungsentscheidungen der Bekl. "verbraucht" worden.

Verweisungsmöglichkeiten, die dem VR schon bei Abgabe des Leistungsanerkenntnisses zu Gebote standen, hat dieser für die Zukunft verloren (vgl. BGH r+s 1994, 72 unter II. 2. c). Nichts anderes gilt, wenn der VR nach Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens erneut seine Leistungspflicht anerkennt (vgl. OLG Karlsruhe, r+s 2014, 566).

Soweit ein erstes Nachprüfungsverfahren im Dezember 2013 abgeschlossen worden ist, hatte die Bekl. zu diesem Zeitpunkt offensichtlich nur Kenntnis von einer im Jahre 2011 erfolgreich abgeschlossenen Umschulung zum Maschinenbautechniker und einer Tätigkeit in diesem Beruf. Von der konkreten Tätigkeit als Maschinenbautechniker und Konstrukteur, der hierdurch gegebenen Wahrung der Lebensstellung des Kl. und der sich ergebenden Verweisungsmöglichkeit hat die Bekl. aber erst im Rahmen des streitgegenständlichen Nachprüfungsverfahrens Kenntnis erlangt. Jedenfalls lässt sich den bei der Gerichtsakte befindlichen Unterlagen nichts Gegenteiliges entnehmen. Darüber hinaus ist unwidersprochen geblieben, dass der Kl. im Zeitpunkt der früheren Nachprüfungen ein geringeres Bruttoeinkommen erzielt hat, so dass eine Verweisung seinerzeit nicht in Betracht kam.

c) Im Zeitpunkt der Mitteilung vom 11.4.2017 waren auch die tatsächlichen Voraussetzungen für einen Wegfall der Leistungspflicht der Bekl. gegeben.

aa) Die dem streitgegenständlichen Vertrag zugrundeliegenden Bedingungen erlauben es der Bekl., den Kl. auf eine tatsächlich ausgeübte Tätigkeit zu verweisen (konkrete Verweisung; § 2 Abs. 1 AVB-BU). Dies gilt auch im Nachprüfungsverfahren, also für Tätigkeiten, die der VN nach Anerkennung der Leistungspflicht aufgenommen hat (§ 13 Abs. 1 AVB-BU).

Diese Klausel spricht nur von einer "anderen Tätigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1". Daher ergibt sich auch der im Rahmen des § 13 AVB-BU anzuwendende Maßstab für den Fortbestand der Berufsunfähigkeit unmittelbar und unverrückbar aus § 2 Abs. 1 AVB-BU (vgl. BGH r+s 1997, 301 r+s 2000, 213). § 2 Abs. 1 AVB-BU stellt nur...

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