Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 4 der Verordnung Nr. 650/2012 dahin auszulegen ist, dass er einer Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren entgegensteht, die vorsieht, dass, auch wenn der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in diesem Mitgliedstaat hatte, dessen Gerichte ihre Zuständigkeit für die Ausstellung der nationalen Nachlasszeugnisse im Zusammenhang mit einem Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug behalten, wenn Nachlassvermögen auf dem Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats belegen ist oder der Erblasser dessen Staatsangehörigkeit besaß.

Zunächst sei festgehalten, dass die Verordnung Nr. 650/2012 gemäß ihrem Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit ihrem neunten Erwägungsgrund auf alle zivilrechtlichen Aspekte der Rechtsnachfolge von Todes wegen mit Ausnahme von Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten anzuwenden ist. Art. 1 Abs. 2 der Verordnung nimmt wiederum verschiedene Fragen von ihrem Anwendungsbereich aus, zu denen weder die nationalen Nachlasszeugnisse noch die dazugehörigen Verfahren zählen.

Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 650/2012 stellt klar, dass der Begriff "Rechtsnachfolge von Todes wegen" "jede Form des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen, sei es im Wege der gewillkürten Erbfolge durch eine Verfügung von Todes wegen oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge", bezeichnet.

Des Weiteren findet diese Verordnung auf Erbfälle mit grenzüberschreitendem Bezug Anwendung, wie sich ihren Erwägungsgründen 7 und 67 entnehmen lässt. Ein solcher Fall liegt hier vor, da der Nachlass Vermögen umfasst, das in verschiedenen Mitgliedstaaten belegen ist.

Hinsichtlich der konkreten Frage, ob Art. 4 der Verordnung Nr. 650/2012 die internationale Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen Gerichte für die Ausstellung der nationalen Nachlasszeugnisse festlegt, ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Vorschriften über die Zuständigkeitsregeln, soweit sie für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten verweisen, in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen, die unter Berücksichtigung nicht nur ihres Wortlauts, sondern auch des Kontexts der Vorschrift und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels gefunden werden muss (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Dezember 2014, Sanders und Huber, C400/13 und C408/13, EU:C:2014:2461, Rn 24, sowie vom 1. März 2018, Mahnkopf, C558/16, EU:C:2018:138, Rn 32).

Art. 4 der Verordnung Nr. 650/2012 bestimmt nach seinem Wortlaut die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass.

Diesbezüglich lässt zwar der Wortlaut dieser Bestimmung keinen Anhaltspunkt dafür erkennen, dass die Anwendung der dort aufgestellten allgemeinen Zuständigkeitsregel davon abhinge, dass ein Erbfall vorliegt, in den mehrere Mitgliedstaaten involviert sind. Nichtsdestotrotz gründet diese Regelung auf dem Vorliegen eines Erbfalls mit grenzüberschreitendem Bezug.

Darüber hinaus lässt sich der Überschrift des Art. 4 der Verordnung Nr. 650/2012 entnehmen, dass diese Vorschrift die Bestimmung der allgemeinen Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten regelt, während sich die innerstaatliche Zuständigkeitsverteilung gemäß Art. 2 der Verordnung nach den nationalen Regeln richtet.

Aus dem Wortlaut dieses Art. 4 geht hervor, dass sich die dort normierte allgemeine Zuständigkeitsregel auf "den gesamten Nachlass" bezieht, was, wie auch der Generalanwalt in Nr. 67 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, darauf hindeutet, dass sie grundsätzlich auf alle Verfahren in Erbsachen vor den Gerichten der Mitgliedstaaten anwendbar sein soll.

Hinsichtlich der Auslegung des Wortes "Entscheidungen" in dieser Bestimmung ist zu prüfen, ob sich der Unionsverordnungsgeber damit auf die von den nationalen Gerichten in Ausübung ihrer rechtsprechenden Funktion getroffenen Entscheidungen beschränken wollte. Im vorliegenden Fall geht, wie in Rn 27 dieses Urteils festgehalten, aus der Vorlageentscheidung hervor, dass das Verfahren zur Ausstellung der nationalen Erbscheine unter die freiwillige Gerichtsbarkeit fällt und die Beschlüsse zur Erteilung solcher Erbscheine lediglich Tatsachenfeststellungen enthalten, aber keine Regelungen, die in Rechtskraft erwachsen können.

Diesbezüglich liefert der Begriff "Gerichte" in Art. 4 der Verordnung Nr. 650/2012, wie er in Art. 3 Abs. 2 dieser Verordnung definiert ist, keine Anhaltspunkte für die Tragweite des Begriffs "Entscheidungen", wie auch der Generalanwalt in Nr. 64 seiner Schlussanträge anmerkt.

Somit ist festzuhalten, dass sich allein anhand des Wortlauts des Art. 4 der Verordnung Nr. 650/2012 nicht bestimmen lässt, ob sich der – streitige oder nicht streitige – C...

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