Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Zusammenarbeit in Zivilsachen. Zuständigkeit für die Entscheidung über einen Antrag betreffend eine Unterhaltspflicht gegenüber einer in einem anderen Mitgliedstaat wohnhaften Person. Nationale Regelung, die eine Zuständigkeitskonzentration begründet

 

Normenkette

Verordnung Nr. 4/2009 Art. 3

 

Beteiligte

Sanders

Sophia Marie Nicole Sanders

Barbara Huber

David Verhaegen

Manfred Huber

 

Tenor

Art. 3 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die eine gerichtliche Zuständigkeitskonzentration für grenzüberschreitende Unterhaltssachen bei dem für den Sitz des Rechtsmittelgerichts zuständigen erstinstanzlichen Gericht begründet, es sei denn, diese Regelung trägt zur Verwirklichung des Ziels einer ordnungsgemäßen Rechtspflege bei und schützt die Interessen der Unterhaltsberechtigten, indem sie zugleich eine effektive Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen begünstigt, was zu prüfen jedoch Sache der vorlegenden Gerichte ist.

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Amtsgericht Düsseldorf und vom Amtsgericht Karlsruhe (Deutschland) mit Entscheidungen vom 9. Juli und 17. Juni 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 16. und 18. Juli 2013 in den Verfahren

Sophia Marie Nicole Sanders, vertreten durch Marianne Sanders,

gegen

David Verhaegen (C-400/13)

und

Barbara Huber

gegen

Manfred Huber (C-408/13)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Jarašiūnas und C. G. Fernlund,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Eggers und A.-M. Rouchaud-Joët als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 4. September 2014

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 3 Buchst. a und b der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (ABl. 2009, L 7, S. 1).

Rz. 2

Diese Ersuchen ergehen im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten zum einen zwischen dem minderjährigen Kind Sophia Marie Nicole Sanders – vertreten durch ihre Mutter, Frau Sanders – und ihrem Vater, Herrn Verhaegen, und zum anderen zwischen Frau Huber und ihrem getrennt lebenden Ehemann, Herrn Huber, wegen Unterhaltsansprüchen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 4, 9, 11, 15, 23, 44 und 45 der Verordnung Nr. 4/2009 lauten:

„(4) Der Europäische Rat hat auf seiner Tagung vom 15. und 16. Oktober 1999 in Tampere den Rat und die Kommission aufgefordert, besondere gemeinsame Verfahrensregeln für die Vereinfachung und Beschleunigung der Beilegung grenzüberschreitender Rechtsstreitigkeiten unter anderem bei Unterhaltsansprüchen festzulegen. Er hat ferner die Abschaffung der Zwischenmaßnahmen gefordert, die notwendig sind, um die Anerkennung und Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung, insbesondere einer Entscheidung über einen Unterhaltsanspruch, im ersuchten Staat zu ermöglichen.

(9) Es sollte einem Unterhaltsberechtigten ohne Umstände möglich sein, in einem Mitgliedstaat eine Entscheidung zu erwirken, die automatisch in einem anderen Mitgliedstaat ohne weitere Formalitäten vollstreckbar ist.

(11) Der Anwendungsbereich dieser Verordnung sollte sich auf sämtliche Unterhaltspflichten erstrecken, die auf einem Familien-, Verwandtschafts-, oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen; hierdurch soll die Gleichbehandlung aller Unterhaltsberechtigten gewährleistet werden. Für die Zwecke dieser Verordnung sollte der Begriff ‚Unterhaltspflicht’ autonom ausgelegt werden.

(15) Um die Interessen der Unterhaltsberechtigten zu wahren und eine ordnungsgemäße Rechtspflege innerhalb der Europäischen Union zu fördern, sollten die Vorschriften über die Zuständigkeit, die sich aus der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 [des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1)] ergeben, angepasst werden. So sollte der Umstand, dass ein Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat hat, nicht mehr die Anwendung der gemeinschaftlichen Vorschriften über die Zuständ...

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