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Wenn Erblasser Angehörige durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge ausschließen, sind bei Eintritt des Erbfalls Konflikte häufig vorprogrammiert. Diese beschränken sich oft nicht auf die persönliche Ebene, sondern werden vermehrt auch gerichtlich ausgefochten. Dabei entzündet sich der Streit zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten immer häufiger bereits bei der Frage, ob erstere ihrer Auskunftspflicht aus § 2314 Abs. 1 BGB hinreichend nachkommen. War in der Praxis früher noch eine gewisse Zurückhaltung bei der Anforderung notarieller Nachlassverzeichnisse nach § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB zu beobachten, machen Pflichtteilsberechtigte heute offenbar zunehmend ihren gesetzlichen Anspruch auf Vorlage eines entsprechenden Verzeichnisses geltend. Um nachzuvollziehen, welche Voraussetzungen an ein notarielles Nachlassverzeichnis zu stellen sind (dazu Teil 3 im übernächsten Heft), muss zunächst geklärt werden, was Inhalt der Auskunft nach § 2314 Abs. 1 BGB ist, also welche Bestandteile eine ordnungsgemäße Auskunft im Allgemeinen hat (dazu nachfolgend und in Teil 2 des Beitrags im nächsten Heft).

I. Bestandteile der Auskunft nach § 2314 Abs. 1 BGB

Der Pflichtteilsanspruch des Auskunftsgläubigers bestimmt sich nach dessen Pflichtteilsquote und dem Nachlasswert, vgl. § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB. Mit Blick auf die Pflichtteilsquote ist dem Pflichtteilsberechtigten daher im Rahmen der Auskunftserteilung nach § 2314 Abs. 1 BGB zunächst mitzuteilen, wie viele gesetzliche Erben der Erblasser hinterlassen hat[2] und ob einer der gesetzlichen Erben entsprechend § 2310 Satz 2 BGB durch Erbverzicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist. Vor dem Hintergrund der Regelungen der §§ 2303 Abs. 2, 2307 Abs. 1, 1931, 1371 Abs. 3 BGB muss die Auskunft insbesondere Angaben dazu enthalten, ob der Erblasser im Zeitpunkt des Erbfalls verheiratet war und, falls dem so war, in welchem Güterstand er lebte sowie ob der überlebende Ehegatte enterbt wurde oder das Erbe bzw. ein Vermächtnis ausgeschlagen hat.[3] Wenn zur Zeit des Erbfalls entweder die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe vorlagen und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hat oder wenn die Voraussetzungen für die Eheaufhebung gegeben waren und der Erblasser den Antrag auf Aufhebung gestellt hat, ist hierüber aufgrund der Regelungen der §§ 1933, 2303 Abs. 2 Satz 2 BGB ebenso Auskunft zu erteilen.

In Bezug auf den angesprochenen Nachlasswert ist anerkannt, dass sich die Auskunft nach § 2314 Abs. 1 BGB zum einen auf den tatsächlichen Nachlass (dazu nachfolgend 1.) und zum anderen bei entsprechender Aufforderung des Pflichtteilsberechtigten auf den fiktiven Nachlass (dazu nachfolgend 2.) erstrecken muss. In diesem Zusammenhang besteht zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten häufig Streit über den genauen Umfang der geschuldeten Auskunft, der durch vermeintlich neue Vermögensformen (dazu nachfolgend 3.) noch verschärft werden wird. Aufgrund dessen und weil die inhaltlichen Anforderungen an ein privatschriftliches Nachlassverzeichnis identisch sind wie die an ein entsprechendes Verzeichnis eines Notars,[4] werden die einzelnen Bestandteile einer ordnungsgemäßen Auskunft nach § 2314 Abs. 1 BGB nachfolgend vorab dargestellt, bevor auf die Besonderheiten eines notariellen Nachlassverzeichnisses eingegangen wird.

[2] Riedel, in: Damrau/Tanck, 3. Aufl. 2014, § 2314 BGB Rn 21.
[3] S. OLG Düsseldorf, NJW 1996, S. 3156; Blum, in: BeckOGK, Stand 2017, § 2314 BGB Rn 7.3; G. Müller, in: BeckOK, Stand 2017, § 2314 BGB Rn 14; Herzog, in: Staudinger, Stand 2015, § 2314 BGB Rn 27 a; Lange, in: MüKo, 7. Aufl. 2017, § 2314 BGB Rn 15; Riedel, in: Damrau/Tanck, § 2314 BGB Rn 21. Zur insofern bestehenden Pflicht zur Vorlage von Belegen in Form des Ehevertrags Klingelhöffer, NJW 1993, S. 1097, 1102; Schlitt, ZEV 2007, S. 515, 517.
[4] Auch BGH, NJW 1961, S. 602, 603; Becker/Horn, ZEV 2007, S. 62, 64; Herzog, in: Staudinger, § 2314 BGB Rn 11, 70 betonen, dass keine inhaltlichen Unterschiede zwischen den Auskünften nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 BGB bestehen. A.A. offenbar Keim, ZEV 2007, S. 332.

1. Tatsächlicher Nachlass

Die Höhe des Pflichtteilsanspruchs bemisst sich neben der Pflichtteilsquote nach dem Nachlasswert. Um den Wert des Nachlasses zu ermitteln, ist zunächst dessen Bestand festzustellen. Der sog. Nettonachlass bestimmt sich aus der Differenz zwischen Nachlassaktiva einerseits und Nachlasspassiva andererseits.[5] Daraus folgt, dass der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten auf dessen Verlangen hin Auskunft über den vom Erblasser hinterlassenen Aktiv- sowie Passivbestand erteilen muss.[6] Dabei ist der Bestand des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls maßgeblich, vgl. § 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB.[7]

Demnach werden unter dem Gesichtspunkt des tatsächlichen Nachlasses die Vermögenspositionen nicht erfasst, die bei Eintritt des Erbfalls bereits aus dem Erblasservermögen ausgeschieden waren; sie können indes im Rahmen des fiktiven Nachlasses zu berücksichtigen sein. Ebenfalls von der Auskunftspflicht nach § 2314 Abs. 1 BGB nicht umfasst ist der Nach...

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