Überschuldung liegt vor, wenn das Nachlassvermögen (Aktiva) die Verbindlichkeiten (Passiva) nicht mehr deckt (vgl. § 19 Abs. 2). Es kommt somit entscheidend auf die Bewertung der Aktiva und Passiva an. Die Aktiva eines Nachlasses werden grundsätzlich mit Liquidationswerten angesetzt[29], es sei denn es handelt sich um die Bewertung eines sich im Nachlass befindlichen Unternehmens, dessen Fortführung nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist (§ 19 Abs. 2 S. 1). In dem Fall sind Fortführungswerte anzusetzen.[30]

Hinsichtlich der Überschuldungsbilanz eines Nachlasses sind ebenfalls Besonderheiten zu beachten: Forderungen des Erblassers gegen den Erben, welche aufgrund von Konfusion untergegangen sind, werden nicht in die Aktiva aufgenommen. Erst im Fall der Insolvenzeröffnung entstehende Ansprüche beispielsweise aus § 1978 Abs. 1 oder § 1980 Abs. 2 BGB dürfen nicht aktiviert werden.Eine weitere Besonderheit der Nachlassüberschuldungsprüfung besteht darin, dass, im Falle der unbeschränkten Erbenhaftung nach § 2013 BGB auch die Eigenvermögenswerte des Erben darauf zu überprüfen sind, ob sie die Verbindlichkeiten des Nachlasses decken.[31] Ist dies im Ergebnis zu bejahen, liegt zwar eine Überschuldung des Nachlasses per se vor, jedoch ist das den Gläubigern zur Verfügung stehende gesamte Haftungsvermögen nicht überschuldet. Ein Insolvenzverfahren hat bekanntlich den Zweck, eine gleichmäßige Gläubigerbefriedigung zu erreichen. Ist die Vollbefriedigung aufgrund § 2013 BGB zu bejahen, ist die Insolvenzeröffnung aufgrund der Überschuldung nicht sinnvoll. Die Informationen über das Vermögen des Erben erhält der Sachverständige vom Erben, da in einem Nachlassinsolvenzverfahren der Erbe der Schuldner[32] und somit auskunftsverpflichtet ist, §§ 20, 97.

Passivierungspflichtig sind alle Nachlassverbindlichkeiten iSv § 1697 BGB bzw. 324 ff. Hierunter werden erstens die vom Erblasser begründeten unerfüllten Verbindlichkeiten (Erblasserverbindlichkeiten), zweitens die durch den Tod respektive Erbfall in Bezug auf den Nachlass entstehenden Verbindlichkeiten (Erbfallverbindlichkeiten) und drittens die aufgrund des Erbfalls vom Erben durch Rechtshandlungen begründete Verbindlichkeiten verstanden. Desweiteren sind (Masse-)Verbindlichkeiten iSd §§ 54 f[33], aber auch Vermächtnisse und Auflagen zu berücksichtigen – es sei denn, die Überschuldung würde allein auf letzteren beruhen. Dann bleiben diese Institute im Überschuldungsstatus gem. § 1980 Abs. 1 S. 3 BGB unberücksichtigt.

Sind Forderungen des Erben gegen den Nachlass vorhanden, so sind diese Verbindlichkeiten zu passivieren.[34] Abweichend von den allgemeinen Regeln der Insolvenzordnung, werden bei der Prüfung der Überschuldung des Nachlasses auch die nachrangigen Verbindlichkeiten iSv § 39 passiviert, vgl. § 327 InsO, was eine Ausnahme zu einem Regelinsolvenzverfahren ist.[35]

Sofern aufgrund komplexer Vermögensverhältnisse die Erben die Erstellung von Solvenz- und Überschuldungsstatus nicht selber vornehmen können, d. h. Haftungsrisiken nicht ausgeschlossen werden, können die gegebenenfalls antragspflichtigen Personen die Mandatierung entsprechender Fachkräfte zur Überprüfung der Vermögensverhältnisse in Betracht ziehen.

[29] BayObLG NJW-RR 1999, 590 ff; Uhlenbruck/Lüer, InsO, § 320 Rn 3 mwN.
[30] Palandt/Weidlich, § 1980, Rn 5; Uhlenbruck/Lüer, InsO, § 320 Rn 3.
[31] Insgesamt dazu Roth, aaO, 2266.
[32] Vgl. Frankfurter Kommentar InsO-Schallenberg/Rafiqpoor, 8. Aufl, Vorbemerkung zu §§ 315–331 ff Rn 28 ff.
[33] Also Gerichtskosten des Insolvenzgerichts sowie die Vergütung des Nachlassinsolvenzverwalteres.
[34] Vgl. Roth, ZInsO 2009, 2265 ff, 2267; Hamburger Kommentar-Böhm, § 320 Rn 4.
[35] Vgl. im Einzelnen dazu Palandt/Weidlich, § 1980 Rn 5; Roth, aaO 2266 f; Uhlenbruck/Lüer, InsO, § 320 Rn 3 mwN.

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