Diesen Nachteil könnten die Kinder (teilweise) begrenzen, indem sie nach dem Tod des ersten Elternteils ihre Pflichtteile in Höhe des halben Werts der ihnen bei gesetzlicher Erbfolge (wenn also keine testamentarische Regelung erfolgt ist) zustehenden Erbteile verlangen, und damit ihre Freibeträge (ganz oder teilweise) ausschöpfen. Dadurch würde sich auch die Steuerlast für den alleinerbenden Elternteil mindern; denn er könnte die Pflichtteile der Kinder als Verbindlichkeiten von dem ererbtem Nachlasswert steuerlich absetzen. Unterlassen die Kinder diese Pflichtteilsforderung, und damit auch die Ausnutzung ihrer Freibeträge, erhalten sie als spätere Erben des überlebenden Elternteils, wie zuvor schon erwähnt, nur die Freibeträge nach diesem; die nach dem zuerst verstorbenen Elternteil werden quasi an den Fiskus "verschenkt". Bei der "Trennungslösung" mit Vor- und Nacherbschaft ist die erbschaftsteuerliche Situation nicht anders. Der Unterschied zwischen den beiden Varianten besteht im Grunde nur darin, dass der dem überlebenden Ehepartner als Vorerbschaft anfallende Nachlass als Sondervermögen neben dessen Eigenvermögen bestehen, also zivilrechtlich von diesem wegen der späteren Nacherbfolge "getrennt" bleibt. Das hat aber den Steuergesetzgeber nicht abgehalten, den Nacherben, dessen Nacherbfolge mit dem Tod des Vorerben eintritt, steuerrechtlich als Erben des Vorerben und nicht des Erstverstorbenen zu behandeln und die zivilrechtliche Regelung in § 6 ErbschStG steuerlich als unbeachtlich zu erklären.[6]

Der steuerliche "Ausweg" über die Pflichtteilsforderung der Kinder wird jedoch in vielen Berliner Testamenten durch die übliche "Strafklausel" behindert, dass ein Kind, das beim ersten Erbfall den Pflichtteil verlangt hat, auch beim zweiten Erbfall auf den Pflichtteil beschränkt bleibt. Hier kann sich ein Zielkonflikt ergeben zwischen dem mit der "Strafklausel" beabsichtigten Schutz des überlebenden Partners vor "geldgierigen" Kindern und dem Bestreben nach Minimierung der Erbschaftsteuer.

Dieser Konflikt lässt sich nur im Einzelfall, nach den jeweils bestehenden Umständen und familiären Gegebenheiten lösen, indem z. B. im Testament dem Überlebenden die Disposition überlassen wird, erst nach dem ersten Erbfall eine Strafklausel (Enterbung bzw. Beschränkung auf den Pflichtteil) für den Schlusserbfall testamentarisch zu bestimmen oder eine bereits gemeinschaftlich verfügte Klausel aufzuheben oder zu modifizieren. In der Literatur wird auch auf die Möglichkeit hingewiesen, dass der überlebende Ehepartner innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist den Pflichtteil eines Kindes freiwillig zahlt, dadurch seine eigene Steuerlast vermindert und dem Pflichtteilsberechtigten die Nutzung seines Freibetrags ermöglicht.[7] Diese Lösung wird in der Regel voraussetzen, dass der Überlebende während dieser Frist die Überzeugung gewinnt, dass er auf den Pflichtteilsbetrag zur Deckung seines eigenen Bedarfs nicht angewiesen sein wird.

[6] Vgl. dazu u. a. Meincke, § 6 Rn 10 ff. Lediglich auf Antrag gem. § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbschStG ist der Versteuerung das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser (Erstverstorbenen) zugrunde zu legen, was aber bei der Nacherbschaft gemeinsamer Kinder keinen Sinn macht, weil in Abs. 2 Satz 3 geregelt ist, dass für den eigenen Nachlass des Vorerben ein Freibetrag nur gewährt wird, soweit er nicht durch die Nacherbschaft verbraucht ist.
[7] Bamberger-Roth, § 2269 Rn 50, mit Verweisung auf Mayer, ZEV 1998,50.

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