(...) Die somit spätestens Ende Oktober 2007 zu laufen begonnene Verjährungsfrist für den Pflichtteilsanspruch der Antragstellerin wäre grundsätzlich bereits Ende Oktober 2010 abgelaufen. Diese Verjährungsfrist begann jedoch gemäß § 212 BGB durch Anerkenntnis der Antragsgegnerin neu zu laufen.

Ein Anerkenntnis ist das rein tatsächliche Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, aus dem sich das Bewusstsein vom Bestehen des Anspruchs unzweideutig ergibt. Das Anerkenntnis ist kein Rechtsgeschäft, sondern eine geschäftsähnliche Handlung, deren Rechtsfolge unabhängig vom Willen des Schuldners eintritt (Palandt/Ellenberger 71. Aufl. Rn 2 zu § 212 BGB).

Für das Pflichtteilsrecht wird angenommen, dass ein Anerkenntnis auch darin liegen kann, dass der Erbe auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten Auskunft über den Nachlass gemäß § 2314 BGB erteilt. Allerdings kommt es nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls darauf an, ob das Verhalten des Schuldners im Zusammenhang mit der Erteilung der Auskunft unzweideutig erkennen lässt, dass er sich auch des Bestehens des Zahlungsanspruchs bewusst ist (vgl. BGH FamRZ 1985, 1021 f).

Mit der Erteilung der geforderten Auskunft mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 15.1.2010 (Anlage B 3) hat die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin Auskunft gemäß § 2314 BGB erteilt. Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 6.10.2010 (Anlage B 5) hat die Antragsgegnerin einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von EUR 9.774,76 ausdrücklich anerkannt, indem sie gegenüber diesem Anspruch die Aufrechnung mit einer Gegenforderung erklärt hat. Daraus ergibt sich, dass ihr bei Auskunftserteilung das Bestehen eines Pflichtteilsanspruchs der Antragstellerin bewusst gewesen ist. (...)

Soweit die Antragstellerin beabsichtigt, gegen die Antragsgegnerin gemäß § 2325 BGB einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend zu machen, hat eine entsprechende Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil ein derartiger Anspruch verjährt ist.

Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB ist unabhängig von einem Pflichtteilsanspruch. Er ist ein selbstständiger außerordentlicher Pflichtteilsanspruch und damit vom Bestehen eines ordentlichen Pflichtteilsanspruchs unabhängig (vgl. Palandt/Weidlich Rn 2 zu § 2325 BGB). Pflichtteilsanspruch und Pflichtteilsergänzungsanspruch stehen selbstständig nebeneinander und sind bei der Berechnung auseinanderzuhalten (vgl. zuletzt BGH FamRZ 2013, 539 ff, 541). Einen Pflichtteilsergänzungsanspruch hat die Antragsgegnerin zu keinem Zeitpunkt anerkannt.

Mit dem Schreiben ihres früheren Bevollmächtigten vom 18.12.2009 hat die Antragstellerin einen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht. Im Rahmen dieses von der Antragstellerin geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs hat die Antragsgegnerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 15.1.2010 Auskunft erteilt. Die Antragstellerin hat daraufhin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 23.7.2010 einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von EUR 3.368,98 und der Sache nach einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 399.999,99 EUR geltend gemacht.

Mit dem Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 6.10.2007 hat die Antragsgegnerin einen Pflichtteilsanspruch der Antragstellerin in Höhe von 9.774,76 EUR anerkannt, gegen den sie mit einer Gegenforderung die Aufrechnung erklärt hat. Die Verpflichtung zur Zahlung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs hat sie hingegen zurückgewiesen.

Zwischen den Beteiligten haben damit auch keine Verhandlungen iSd § 203 BGB hinsichtlich eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs stattgefunden. (...)

Dem Anspruch der Antragstellerin auf Vorlage eines – umfassenden – notariellen Nachlassverzeichnisses steht vorliegend nicht entgegen, dass ein Pflichtteilsergänzungsanspruch verjährt ist.

Es ist anerkannt, dass ein Auskunftsanspruch gemäß § 2314 Abs. 1 BGB – mangels Rechtsschutzbedürfnis – nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn ein Informationsbedürfnis des Pflichtteilsberechtigten nicht mehr besteht. Eine solche Situation kann dann in Betracht kommen, wenn zwar der Auskunftsanspruch an sich noch nicht verjährt ist, einem Zahlungsanspruch wegen des Pflichtteils bzw. der Pflichtteilsergänzung jedoch die Einrede der Verjährung entgegensteht.

Sind Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche verjährt, dann kann der Pflichtteilsberechtigte mit Auskünften des Erben im Allgemeinen nichts mehr anfangen. Sein dennoch gestelltes Auskunftsverlangen muss dann im Allgemeinen als unbegründet abgewiesen werden. Das gilt aber nicht, wenn der Pflichtteilsberechtigte die Auskünfte des Erben trotz der Verjährung seiner eigenen möglichen Pflichtteilsansprüche noch benötigt, etwa um gegen seinen Prozessbevollmächtigten vorgehen zu können, der die Unterbrechung der Verjährung schuldhaft versäumt hat (vgl. BGH FamRZ 1990, 41 ff, 43).

So liegt der Fall hier hinsichtlich der Pflichtteilsergänzungsansprüche.

Um eventuelle Schadensersatzansprüche gegen ihren früheren Prozessbevollmächtigten abschätzen und durchsetzen zu können, benö...

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