Leitsatz

Die Formanforderung an ein eigenhändiges Testament ist nicht erfüllt, wenn der Erblasser auf einer Karte lediglich einen Aufkleber mit der Beschriftung anbringt "(Vorname) ist meine Haupterbin" und diese mit einem zweiten Aufkleber mit Datum und Unterschrift versieht.

Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 8. Oktober 2013 – 2 W 80/13

Aus den Gründen

(...) Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht gemäß § 352 Abs. 1 FamFG den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der die Beteiligte zu 1. als Alleinerbin ausweist, abgelehnt.

(...) Für das Vorliegen und die Wirksamkeit eines eigenhändigen Testaments ist zwar weder eine ausdrückliche Bezeichnung als Testament erforderlich, noch stehen die Verwendung ungewöhnlichen Schreibmaterials und eine ungewöhnliche Gestaltung der Annahme eines Testaments grundsätzlich entgegen, jedoch sind diese Umstände in die Prüfung, ob überhaupt eine Erklärung mit Testierwillen vorliegt, sorgfältig einzubeziehen.

Die vorliegende Karte enthält keine Überschrift, die das Schriftstück als letztwillige Verfügung kennzeichnet, wie zum Beispiel "Testament", "Letzter Wille" oder "Letztwillige Verfügung". Weiter fehlt es an einer genauen Bezeichnung der vermeintlichen "Haupterbin". Diese ist lediglich mit einem Vornamen aufgeführt, was das Risiko späterer Probleme bei ihrer Ermittlung in sich birgt. Sodann ist die vermeintliche Erbin als "Haupterbin" bezeichnet, einer Erbenstellung, die das Gesetz so nicht kennt und die es nach der allgemeinen Lebenserfahrung nahelegt, dass es weitere Begünstigte des Nachlasses geben müsste.

Auch das Beschwerdegericht sieht keine logische Erklärung dafür, dass der Erblasser, so er denn testieren wollte, die Form eines Fotoumschlags mit zwei aufgebrachten Aufklebern wählte. Der Erblasser, der am 10.1.2011 unter keinerlei Zeitdruck hinsichtlich der Abfassung eines Testaments stand, musste vielmehr davon ausgehen, dass die von ihm gewählte Form geeignet wäre, Zweifel an dem "Testament" zu begründen. Dies gilt insbesondere, wie vom Amtsgericht zutreffend ausgeführt, aufgrund der Verwendung zweier Aufkleber, die jederzeit manipuliert werden konnten. Weitere Indizien gegen die Annahme eines Rechtsbindungswillens sind die Umstände, dass die Angabe über den Ort der Ausstellung ebenso fehlt wie der Vorname des Erblassers. Dies sind zwar gemäß § 2247 BGB lediglich "Sollangaben", soweit die Angaben fehlen, ist jedoch eine besonders sorgfältige Prüfung des Testierungswillens angezeigt.

Weiter ist dem Amtsgericht dahingehend zuzustimmen, dass selbst dann, wenn in der Karte ein Testament zu sehen sein sollte, das Testament formunwirksam wäre. Es fehlt an der gemäß § 2247 BGB erforderlichen eigenhändigen Unterschrift. Als Abschluss der Urkunde muss die Unterschrift am Schluss des Textes stehen, den Urkundentext also räumlich abschließen, um ihn damit vor nachträglichen Ergänzungen und Zusätzen zu sichern. Der Aufkleber mit der Aufschrift "V. ist meine Haupterbin" ist überhaupt nicht unterzeichnet. Der zweite Aufkleber mit der Aufschrift "D. L.10.I.2011" hat keinen erkennbaren Bezug zum ersten Aufkleber. Zwischen beiden Aufklebern findet sich sogar ein geringer räumlicher Abstand. Der Umstand, dass es sich um zwei separate Aufkleber handelt, führt dazu, dass keinerlei Schutz gegen eine etwaige Manipulation besteht. Dem zweiten Aufkleber kann somit nicht die Funktion der für eine Testierung notwendigen Unterschrift beigemessen werden.

Das Vorliegen eines wirksamen Testaments vom 10.1.2011 kann somit nicht festgestellt werden. (...)

ZErb 5/2014, S. 148 - 149

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