Ein an den Interessen des Mandanten orientierter Anwalt wird versuchen, diese Erkenntnis nicht erst im Laufe der Auseinandersetzung entstehen zu lassen, sondern sie als Erfahrungswert bereits früh in die Beratung mit einzubringen. Dabei sollten, ja müssen Anwälte auch alternative Streitbeilegungsverfahren als Optionen in Erwägung ziehen und mit ihren Mandanten erörtern. Denn sie sind aus dem Mandatsvertrag heraus nicht nur zur Rechtsberatung, sondern auch zu einer ergebnisoffenen Verfahrenswahlberatung verpflichtet.[19]

Dass Anwälte die Mediation im Erbrecht bislang eher zögerlich empfehlen oder überhaupt nur erwägen,[20] ist vor diesem Hintergrund durchaus verwunderlich. Dies gilt umso mehr, als es neben der rechtlichen auch noch eine sehr eigennützige Motivation gibt, die nüchtern rechnende Anwälte eigentlich dazu bringen sollte, sich der Empfehlung eines Mediationsverfahrens nicht ohne Not zu verschließen. Die Begleitung des Mandanten in einem Mediationsverfahren kann nämlich für Anwälte durchaus lukrativ sein. Für die gerichtliche Mediation liegt das auf der Hand, weil sie ein in der Regel vielschichtiges Streitverfahren binnen weniger Stunden zu einem Abschluss führt, der dem Anwalt mit großer Wahrscheinlichkeit neben der Verfahrens- und Terminsgebühr auch eine Einigungsgebühr beschert. Aber auch mit der außergerichtlichen Mediation können Anwälte gutes Geld verdienen. Der mit einer außergerichtlichen Mediation in der Regel verbundene Zeitaufwand von etwa zwei bis drei Tagen[21] wird sich dabei ab einem Streitwert im unteren sechsstelligen Bereich durchaus über den Gebührenansatz nach dem RVG darstellen lassen.[22] Üblicher wäre gleichwohl die Vereinbarung eines zeitabhängigen Honorars, das Mandanten ab einem mittleren fünfstelligen Streitwert vermittelbar ist.[23]

Hinzu kommen nicht-monetäre Vorteile für Anwälte infolge deutlich verbesserter Bewertung des Verfahrensergebnisses: Die Zufriedenheit der Parteien mit einer in einer Mediation selbst erarbeiteten Einigung ist erfahrungsgemäß ungleich größer als die Akzeptanz eines vor Gericht erstrittenen Urteils oder Vergleichs. Auch das sollte Anwälte interessieren: Die beste Akquise für eine Kanzlei besteht schließlich in sowohl wirtschaftlich als auch emotional zufriedenen Mandanten.

[19] Engel, ErbR 2014, 510, 513 f; Kiendl, Alternative Streitbeilegung und anwaltliche Verpflichtung zur Verfahrensberatung, 2017, passim.
[20] So auch Beisel, in Haft/von Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 32 Rn 5; Schwartz, in Henssler/Koch, Mediation in der Anwaltspraxis, 2. Aufl. 2004, § 14 Rn 4.
[21] Erbrechtliche Mediationsverfahren dauern typischerweise zwei bis drei Tage. Sie sind für den Anwalt in der Regel mit einigen Stunden Vorbereitungszeit verbunden. Häufig verhält es sich allerdings auch so, dass Anwälte an den Mediationsgesprächen nicht von Beginn an, sondern erst dann teilnehmen, wenn es um den Abschluss eines Vergleichsvertrags nach § 779 BGB geht.
[22] Es fallen dann wie bei anderen außergerichtlichen Verhandlungen nur die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 und 1008 VV RVG und ggf. die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG an; vgl. Engel, in Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, 2015, Kap. 10 Rn 11 ff.
[23] Kalkuliert man mit einem Tagessatz von 2.000 EUR für Mediator und Anwälte, ist die Mediation für jede Partei mit Kosten im oberen vierstelligen Bereich verbunden. Ökonomisch betrachtet wäre ein Mediationsversuch sogar bei Streitwerten im unteren vierstelligen Bereich sinnvoll, denn die dadurch gesparte Zeit und die nicht aufgewendeten Emotionen müssten eigentlich ebenfalls in ihrem Wert beziffert und auf den Streitwert aufgeschlagen werden.

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