In welchen Fällen sollte das als Auffangtatbestand nach R B 182 Abs. 4 ErbStR 2011 bezeichnete Sachwertverfahren zur Regel werden?

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Der Richtliniengeber bezeichnet in R B 182 Abs. 4, zweiter Spiegelstrich Erbschaftsteuerrichtlinien 2011 (ErbstR 2011), das Sachwertverfahren lediglich als "Auffangtatbestand" für die Bewertung von Geschäftsgrundstücken und gemischt genutzten Grundstücken. Er geht daher offenbar davon aus, dass diese Grundstücke in der Regel im Ertragswertverfahren zu bewerten sind. Dieses wird auch daran deutlich, dass § 182 BewG zuerst im dritten Absatz das Ertragswertverfahren aufführt und erst nachgelagert im vierten Absatz das Sachwertverfahren benennt, d. h. in der Reihenfolge das Ertragswertverfahren dem Sachwertverfahren voranstellt. Dieser Aufsatz soll beleuchten, ob nicht in der Praxis bei bestimmten Fallkonstellationen der Auffangtatbestand zur Regel werden müsste.

I. Ausgangslage

Geschäftsgrundstücke sind nach § 181 Abs. 1 Nr. 4 iVm § 181 Abs. 6 BewG Grundstücke, die zu mehr als 80 Prozent, berechnet nach der Wohn- und Nutzfläche, eigenen oder fremden betrieblichen oder öffentlichen Zwecken dienen und nicht Teileigentum sind. Gemischt genutzte Grundstücke sind nach § 181 Abs. 1 Nr. 5 iVm § 181 Abs. 7 BewG Grundstücke, die teils Wohnzwecken, teils eigenen oder fremden betrieblichen oder öffentlichen Zwecken dienen und nicht Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke, Wohnungseigentum, Teileigentum sind. Sowohl Geschäftsgrundstücke als auch gemischt genutzte Grundstücke gehören zu den bebauten Grundstücken iSv § 180 BewG. Die Bewertung bebauter Grundstücke ist in § 182 BewG geregelt. § 182 Abs. 1 BewG differenziert drei unterschiedliche Verfahren, nämlich das Vergleichswertverfahren (§ 183 BewG), das Ertragswertverfahren (§§ 184188 BewG) und das Sachwertverfahren (§§ 189191 BewG). Im Ertragswertverfahren sind nach § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG nur solche Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke zu bewerten, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt.

Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt keine übliche Miete ermitteln lässt, sind gem. § 182 Abs. 4 Nr. 2 BewG nach dem Sachwertverfahren zu bewerten. Die Frage, ob ein Geschäftsgrundstück oder ein gemischt genutztes Grundstück im Ertragswertverfahren oder im Sachwertverfahren zu bewerten ist, entscheidet sich nach dem Gesetzestext daran, ob sich für das Geschäftsgrundstück oder das gemischt genutzte Grundstück auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt oder eben nicht.

In der Praxis stellt sich hier die Frage, wie die übliche Miete iSv § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG auf dem örtlichen Grundstücksmarkt zu ermitteln ist.

R B 182 Abs. 3 S. 2 ErbStR 2011 sagt dazu aus, dass die übliche Miete auch durch ein Mietgutachten nachgewiesen werden kann. Das Wort "auch" macht deutlich, dass es noch andere Möglichkeiten gibt. R B 182 Abs. 3 S. 2 ErbStR 2011 verweist dazu auf R B 186.5 ErbStR 2011. Danach kann die übliche Miete aus Vergleichsmieten oder Mietspiegeln abgeleitet, mit Hilfe einer Mietdatenbank (558 e BGB) geschätzt oder durch ein Mietgutachten ermittelt werden.

II. Praxisproblem

Es gibt aber Gemeinden und Städte, in denen es keinen amtlichen Mietspiegel für Geschäftsgrundstücke und/oder gemischt genutzte Grundstücke gibt. Und es gibt für die Bedarfsbewertung zuständige Finanzämter, denen Vergleichsmieten für Geschäftsgrundstücke und/oder gemischt genutzte Grundstücke nicht vorliegen und bei denen auch eine Mietdatenbank iSv R B 186.5 Abs. 4 ErbStR 2011 für Geschäftsgrundstücke und/oder gemischt genutzte Grundstücke nicht existiert.

III. Lösung in der Praxis

In manchen Gemeinden wird dieses Problem dadurch gelöst, dass unterstellt wird, dass die tatsächlich vereinbarte und erklärte Miete der üblichen Miete entspricht.

IV. Kritik an dieser Lösung

Die unter III. skizzierte Methode, die tatsächlich vereinbarte und erklärte Miete ohne weitere Prüfung als übliche Miete anzuerkennen und die Fälle durch die Bank im Ertragswertverfahren zu bewerten, mag der schnellen und ökonomischen Erledigung großer Fallzahlen gerecht werden, entspricht aber, jedenfalls nach Auffassung des Verfassers, nicht der Gesetzessystematik und kann zu falschen Ergebnissen führen, denn je nach Anwendung des Ertragswertverfahrens oder des Sachwertverfahrens ergeben sich für ein und dasselbe Grundstück unterschiedliche Werte.

Es reicht nicht, dass eine tatsächlich vereinbarte Miete vorliegt, denn es ist nicht nachprüfbar, dass diese der üblichen Miete entspricht.

In diesen Fällen sollte das Sachwertverfahren nicht zum Auffangtatbestand, sondern zum Regelfall werden.

Für die Auffassung des Verfassers spricht die Ansicht von Roscher[2]: "Für Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke ist nach § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG iVm § 182 Abs. 4 Nr. 2 BewG das Ertragswertverfahren nur dann vorrangig zum Sachwertverfahren anzuwenden, wenn sich für diese Grundstücke auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt. D. h., ...

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