Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Gebäuden

Nachdem in den vergangenen Jahren diverse Urteile zur Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Grundstücken veröffentlicht wurden, setzt die Finanzverwaltung diese jetzt um und ergänzt den UStAE.     

Wird ein Grundstück sowohl für den Vorsteuerabzug berechtigende als auch den Vorsteuerabzug ausschließende Zwecke verwendet, müssen die mit dem Objekt in Zusammenhang stehenden Ausgaben den einzelnen Verwendungszwecken zugeordnet werden oder nach einem sachgerechten Aufteilungsmaßstab aufgeteilt werden.

In mehr als 20 Jahren wurde um die zutreffende systematische Lösung dieses in der Praxis häufig vorkommenden Sachverhalts und dem sich daraus ergebenden zutreffenden Aufteilungsmaßstab gerungen. Nachdem die wesentlichen Entscheidungen 2016 von EuGH und BFH getroffen wurden, hat nun die Finanzverwaltung im Jahr 2022 diese Grundsätze umgesetzt und den Anwendungserlass angepasst.

Vorrangig bleibt danach die Aufteilung nach einem Flächenschlüssel, soweit aber ein anderer Aufteilungsmaßstab zu einem präziseren Ergebnis führt, ist dieser Aufteilungsmaßstab anzuwenden (z. B. objektbezogener Umsatzschlüssel, umbauter Raum).

Die rechtliche Problematik

Die Vorsteuerabzugsberechtigung für einen Unternehmer ergibt sich anhand der zu dem jeweiligen Leistungszeitpunkt bestehenden Verwendungsabsicht. Werden bezogene Leistungen nicht ausschließlich für den Vorsteuerabzug berechtigende oder den Vorsteuerabzug ausschließende Zwecke verwendet, muss geprüft werden, ob eine unmittelbare Zurechnung zu bestimmten Ausgangsumsätzen möglich ist und – soweit dies nicht zulässig sein sollte – wie eine evtl. notwendige Aufteilung der Vorsteuerbeträge vorzunehmen ist. Ein in der Praxis häufig auftretender Sachverhalt ist die Vorsteueraufteilung bei sowohl für vorsteuerabzugsberechtigende als auch für nicht vorsteuerabzugsberechtigende Zwecke genutzte Grundstücke.

Wichtig

Die Regelung der Vorsteueraufteilung enthielt ursprünglich nur den Hinweis, dass der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar ist, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist (§ 15 Abs. 4 Satz 1 UStG). Allerdings konnte eine Aufteilung auch im Rahmen einer sachgerechten Schätzung vorgenommen werden (§ 15 Abs. 4 Satz 2 UStG).

Umstritten war, in welchem Verhältnis die Vorsteuer aus der gemischten Nutzung von Immobilien aufzuteilen ist. Gegen den Widerstand der Finanzverwaltung hatte sich in der ständigen Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 05.02.1998 - V R 101/96, Urteil vom 17.08.2001 - V R 1/01). herausgebildet, dass die Aufteilung im Verhältnis der Ausgangsumsätze bei gemischt genutzten Immobilien eine zulässige Methode ist.

Hinweis

Die Aufteilung nach einem Umsatzschlüssel (Verhältnis der den Vorsteuerabzug zulassenden Umsätze zu den, den Vorsteuerabzug ausschließenden Umsätze) wird in aller Regel für den Unternehmer zu einem günstigeren Ergebnis führen als die Aufteilung nach einem Flächenschlüssel (Verhältnis der für vorsteuerabzugsberechtigende Zwecke verwendeten Flächen zu den für nicht vorsteuerabzugsberechtigende Zwecke genutzten Flächen).

Mit Wirkung zum 1.1.2004 wurde dann jedoch durch Einfügen der Beschränkung nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG ein gesetzliches Verbot der Aufteilung des Vorsteuerbetrags im Verhältnis der Ausgangsumsätze umgesetzt, wenn es einen anderen wirtschaftlichen Aufteilungsmaßstab gibt. Damit war im Ergebnis ein Verbot des Umsatzschlüssels bei gemischt genutzten Immobilien erreicht, da das Verhältnis der (Miet-)Flächen immer ermittelbar ist.

Rechtsprechung zu § 15 Abs. 4 UStG

Nachdem das Niedersächsische FG (Urteil vom 23.04.2009 - 16 K 271/06). diese gesetzliche Vorgabe als nicht mit dem Unionsrecht vereinbar angesehen hatte, da nach dem Unionsrecht für die Aufteilung ein auf die Gesamtheit der von dem Unternehmer bewirkten Umsätze bezogener Umsatzschlüssel (jetzt Art. 173 Abs. 1 und Art. 174 MwStSystRL) anzuwenden sei, hatte der BFH (Beschluss vom 22.07.2010 - V R 19/09) das Verfahren dem EuGH vorgelegt.

Der EuGH (Urteil vom 08.11.2012 - C-511/10 BLC Baumarkt) hat dazu entschieden, dass die Mitgliedstaaten einen vom Umsatzschlüssel abweichenden Vorsteueraufteilungsmaßstab vorschreiben können, dies aber voraussetzt, dass dieser vorgeschriebene Aufteilungsmaßstab eine präzisere Bestimmung des Aufteilungsmaßstabs gewährleistet.

Ob die Regelung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG dies gewährleistet, wurde der Folgeentscheidung des BFH überlassen. Der BFH  (Urteil vom 22.08.2013 - V R 19/09) hatte daraufhin – trotz grundsätzlicher Bedenken – entschieden, dass § 15 Abs. 4 UStG insoweit mit dem Unionsrecht vereinbar ist, wie die dort vorgesehene Aufteilung von Vorsteuerbeträgen (also faktisch der Flächenschlüssel) für nach § 15a UStG berichtigungspflichtige Vorsteuerbeträge gilt. Der Ausschluss des Umsatzschlüssels durch den Flächenschlüssel nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG würde nicht gegen das Unionsrecht verstoßen, da ein objektbezogener Flächenschlüssel eine präzisere Bestimmung des Aufteilungssatzes ermöglicht als der auf die Gesamtumsätze des Unternehmens bezogene Umsatzschlüssel.

Der BFH (Urteil vom 07.05.2014 - V R 1/10, sowie vom 03.07.2014 - V R 2/10; der XI. Senat des BFH hat sich später dieser Sichtweise angeschlossen, Urteil vom 10.08.2016 - XI R 31/09) hat allerdings kurze Zeit später seine Rechtsprechung relativiert und nachfolgend ausdrücklich bestätigt. Die Vorsteuerbeträge können dann nach einem objektbezogenen Umsatzschlüssel aufgeteilt werden, wenn erhebliche Unterschiede in der Ausstattung der verschiedenen Zwecken dienenden Räume bestehen. Dies liegt insbesondere dann vor, wenn die Ausstattung der Räumlichkeiten (z. B. wegen der Höhe der Räume, der Dicke der Wände und Decken oder in Bezug auf die Innenausstattung) erhebliche Unterschiede aufweist.

Hinweis

Es können aber auch noch weitere Aufteilungsmaßstäbe zu einer sachgerechten Aufteilung führen und dann "präziser" sein als ein Flächenschlüssel. So hat der BFH (Urteil vom 26.04.2018 - V R 23/16) im Fall einer zeitlich abwechselnden Nutzung einer Schulsporthalle entschieden, dass eine Aufteilung nach Nutzungszeiten zu einer präziseren Aufteilung führt.

In einem weiteren Verfahren hatte der EuGH (Urteil vom 09.06.2016 - C-332/14 Wolfgang und Dr. Wilfried Rey Grundstücksgemeinschaft) sich mit der Frage der Zuordnung von Eingangsleistungen zu einem bestimmten Teil des Grundstücks beschäftigt. Er hatte dabei entschieden, dass keine direkte Zuordnung von Eingangsleistungen bei Anschaffung oder Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes zu den Ausgangsumsätzen unionsrechtlich erforderlich sei, wenn eine solche Zuordnung "in der Praxis schwer durchführbar" ist.

In der Folge hatte der BFH (Urteil vom 10.08.2016 - XI R 31/09) entschieden, dass bei der Herstellung eines gemischt genutzten Gebäudes für den Vorsteuerabzug nicht darauf abgestellt werden könne, welche Aufwendungen in bestimmte Teile des Gebäudes eingehen. Vielmehr komme es insoweit auf die prozentualen Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes an.

Wichtig

Der BFH  hat aber deutlich gemacht, dass sich diese Aussage nur auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten bezieht. Eingangsleistungen für die Nutzung, Erhaltung und Unterhaltung von Grundstücken sind weiterhin nach dem Grundsatz "Zuordnung geht vor Aufteilung" zu beurteilen.

Die neue Anweisung des BMF zur Vorsteueraufteilung

Das BMF-Schreiben v. 20.10.2022 ändert und ergänzt den UStAE an verschiedenen Stellen, insbesondere in Abschn. 15.2c und Abschn. 15.17 UStAE. Die Finanzverwaltung nimmt umfangreich zu der Problematik der Vorsteuerabzugsberechtigung und der Vorsteueraufteilung bei den gemischt genutzten Grundstücken Stellung. Nach einer Darstellung der seit 2012 zu dieser Thematik ergangenen Rechtsprechung von EuGH und BFH wird diese Rechtsprechung aus Sicht der Finanzverwaltung umgesetzt, um dann in einem dritten Teil des Schreibens die Änderungen des UStAE bekannt zu geben.

Art der Eingangsleistung

Grundsätzlich muss bei den Eingangsleistungen im Zusammenhang mit vorsteuerabzugsberechtigend und nicht vorsteuerabzugsberechtigend genutzten Grundstücken ("gemischt genutzte Grundstücke") unterschieden werden, ob die Leistungen Anschaffungs- oder Herstellungskosten betreffen oder der Nutzung, Erhaltung und Unterhaltung des Grundstücks dienen:

  • Bei Eingangsleistungen, die für die Nutzung, Erhaltung und Unterhaltung des gemischt genutzten Gebäudes bestimmt sind (dies betrifft insbesondere Instandsetzungskosten, aber auch Verwaltungs- und Betriebskosten), gilt der Grundsatz, dass soweit möglich eine Zuordnung zu den einzelnen Gebäudeteilen erfolgen soll. Nur insoweit eine solche Zuordnung nicht möglich ist, erfolgt eine Vorsteueraufteilung nach den Grundsätzen des § 15 Abs. 4 UStG ("Zuordnung geht vor Aufteilung").
  • Handelt es sich bei den Eingangsleistungen um Aufwendungen zur Anschaffung oder Herstellung (dies muss entsprechend auch für nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten gelten, nicht aber bei ertragsteuerrechtlicher Umqualifizierung von laufenden Aufwendungen in Anschaffungskosten - sog. anschaffungsnaher Aufwand) von gemischt genutzten Grundstücken, erfolgt eine einheitliche Aufteilung der Vorsteuerbeträge (sog. "Eintopftheorie"). Eine Zuordnung der Vorsteuerbeträge zu einzelnen Gebäudeteilen und deren unterschiedlicher umsatzsteuerrechtlicher Nutzung erfolgt nicht.

Hinweis

Diese Feststellungen der Finanzverwaltung stellen keine Änderung der Verwaltungsmeinung dar, diese Grundsätze waren auch schon seit einigen Jahren von der Finanzverwaltung (insbesondere Abschn. 15.17 Abs. 7 UStAE) so vertreten worden.

Aufteilungsmaßstäbe: Vorrangig Flächenschlüssel

Sehr ausführlich nimmt die Finanzverwaltung zu den möglichen Aufteilungsmaßstäben Stellung. Sie bleibt bei ihrer auch schon früher getroffenen Feststellung, dass der Flächenschlüssel der vorrangige Aufteilungsmaßstab ist, da dies regelmäßig die wirtschaftlich präzisere Aufteilungsmethode darstellt. Dabei sind die folgenden Punkte zu beachten (vgl. Abschn. 15.17 Abs. 7 Satz 5 Nr. 1 UStAE):

  • Die Flächenberechnung ist nach den Gebäudeinnenflächen vorzunehmen, Außenplätze sind nicht einzubeziehen (BFH Urteil vom 27.03.2019 - V R 43/17).
  • Es sind die Grundflächen aller Räume zu berücksichtigen (z. B. Wohn- und Verkaufsräume, als Lagerflächen genutzte Keller oder Speicherräume, Tiefgarage). Flächen, die zur Versorgung des Gebäudes verwendet oder nur gemeinsam genutzt werden (z. B. Technikräume, Treppenhaus, Fahrradabstellräume, Waschküchen), bleiben unberücksichtigt.
  • Grundflächen werden auch bei Dachschrägen voll angesetzt, Terrassen oder Balkone sind zur Hälfte anzusetzen.
  • Es können auch andere anerkannte Methoden der Flächenberechnung (z. B. nach DIN 277 - Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken im Hochbau - oder Wohnflächenverordnung) angewendet werden, wenn dies für das Gebäude einheitlich erfolgt und diese Methode auch für andere Zwecke angewendet wird (z. B. bei Mietverträgen).

Wichtig

Der BFH (Urteil vom 11.11.2020 - XI R 7/20) hatte entschieden, dass die Feststellungslast, dass der Flächenschlüssel präziser ist als ein objektbezogener Umsatzschlüssel, beim Finanzamt liegt. Das BMF schränkt dies aber dahingehend ein, dass das nur gilt, wenn dem Finanzamt alle für eine entsprechende Beurteilung erforderlichen Informationen vorliegen. Liegen nicht alle erforderlichen Informationen vor oder lassen diese keine eindeutige Beurteilung zu, ist davon auszugehen, dass der Flächenschlüssel grundsätzlich die präziseren Ergebnisse liefert.

Anwendung eines Umsatzschlüssels

Unter den vom BFH aufgestellten Voraussetzungen kann es aber auch zur Anwendung eines objektbezogenen Umsatzschlüssels kommen, dazu müssen insbesondere erhebliche Unterschiede in der Ausstattung bestehen. Dabei sind die folgenden Punkte besonders zu beachten ( vgl. Abschn. 15.17 Abs. 7 Satz 5 Nr. 2 UStAE):

Weicht die Ausstattung der unterschiedlich genutzten Räume erheblich voneinander ab, erfolgt grundsätzlich eine Aufteilung der Vorsteuerbeträge anhand des objektbezogenen Umsatzschlüssels (typischerweise bei Gebäuden, die vermietet werden).

Ausnahmsweise kann eine Aufteilung nach einem unternehmenseinheitlichen Gesamtumsatzschlüssel zur Anwendung kommen, wenn das Gebäude – z. B. bei einem Verwaltungsgebäude – den Umsätzen des gesamten Unternehmens dient.

Ein erheblicher Unterschied in der Ausstattung liegt dann vor, wenn sich die Dicke der Wände und Decken und die Innenausstattung erheblich unterscheiden. Dann unterscheidet sich auch der Bauaufwand erheblich und wird sich auch in der Höhe der Mietumsätze niederschlagen.

Hinweis

Die Finanzverwaltung nimmt dazu exemplarisch Beispiele auf. Kein erheblicher Unterschied in der Ausstattung liegt danach vor, wenn lediglich eine unterschiedliche Anzahl von Strom- oder Wasseranschlüssen in den unterschiedlich genutzten Gebäudeteilen vorhanden sind oder z. B. in Gewerbeeinheiten deckenhohe Ganzglastürelemente in Wohnungen aber nur normale Fensterelemente vorhanden sind.

Erhebliche Unterschiede in der Ausstattung sieht die Finanzverwaltung aber dann, wenn bestimmte Räume luxuriös andere hingegen schlicht ausgebaut sind, einzelnen Räumen ein besonderer Herstellungsaufwand zuzurechnen ist (z. B. traglastverstärkte Böden), ein Einbau eines nicht allen Nutzern zugänglichen Schwimmbads erfolgt oder bei erheblich unterschiedlicher Nutzung von Flächen in dem Gebäude und auf den Dachflächen (z. B. bei Nutzung von Dachflächen für eine Photovoltaikanlage, vgl. BFH Urteile vom 19.07.2011 - XI R 29/09, XI R 29/10).

Besonderheiten bei Photovoltaikanlagen

Besonderheiten sind bei einer auf einem Gebäude errichteten Photovoltaikanlage zu beachten. Gehören die Kosten der Anschaffung einer Photovoltaikanlage ertragsteuerrechtlich zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes, ist die Photovoltaikanlage kein eigenständiges Zuordnungsobjekt (Abschn. 15.17 Abs. 6 und Abschn. 15.2c Abs. 10 UStAE).

Soweit es sich aber nicht nur um einen Schuppen, Stall oder ein mit ähnlich geringem Aufwand errichtetes Gebäude handelt, wird die Photovoltaikanlage keinen erheblichen Unterschied in der Ausstattung darstellen. In diesen Fällen muss eine getrennte Ermittlung der Vorsteuerbeträge in 2 Stufen vorgenommen werden. Für den Anteil der Dachflächennutzung für die Photovoltaikanlage wird ein objektbezogener Umsatzschlüssel zur Ermittlung des Anteils für die Dachflächennutzung sachgerecht sein, für die danach auf das restliche Gebäude entfallenden Vorsteuerbeträge ist dann die Aufteilung nach den allgemeinen Grundsätzen vorzunehmen (regelmäßig dann nach einem Flächenschlüssel).

Aufteilung nach umbautem Raum oder Nutzungszeiten

Unter bestimmten Voraussetzungen kann als sachgerechter Vorsteueraufteilungsmaßstab auch eine Aufteilung nach dem umbauten Raum vorgenommen werden.  Dies ist insbesondere dann möglich, wenn Gebäudeteile mit unterschiedlichen Geschosshöhen, aber ansonsten ohne erhebliche Unterschiede in der Ausstattung zu beurteilen sind. Bei einer zeitlich abwechselnden Nutzung derselben Flächen kann auch die Aufteilung nach Nutzungszeiten sachgerecht sein (Abschn. 15.17 Abs. 7 Satz 5 Nr. 4 Satz 2 UStAE).

Mehrere präzisere Aufteilungsmaßstäbe

Sind mehrere Aufteilungsmaßstäbe als präzisere Maßstäbe als der Flächenschlüssel anzusehen, kann der Unternehmer auswählen, welcher Aufteilungsmaßstab angewendet werden soll, es muss aber nicht der präziseste Aufteilungsmaßstab sein. Die Finanzverwaltung kann aber prüfen, ob der gewählte Aufteilungsmaßstab sachgerecht ist.

Grundsätze der Vorsteueraufteilung

Die Grundsätze der Vorsteueraufteilung gelten analog auch bei Fragen, die die Zuordnung eines Gebäudes bei einer unternehmerischen und nichtunternehmerischen Nutzung betreffen, insbesondere bei der notwendigen Nutzung von mindestens 10 % für unternehmerische Zwecke (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG) und bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 1b UStG.

Aufteilungsmaßstab bindend

Hat der Unternehmer für ein gemischt genutztes Gebäude einen sachgerechten Aufteilungsmaßstab gewählt, ist dieser Aufteilungsmaßstab auch für die folgenden Jahre bindend; z. B. für die Beurteilung, ob eine Änderung der Verhältnisse nach § 15a UStG vorliegt und dann eine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen ist (Abschn. 15.17 Abs. 4 Satz 1 UStAE). Die Finanzverwaltung (Abschn. 15.17 Abs. 4 Satz 2 UStAE unter Verweis auf BFH Urteil vom 11.11.2020 - XI R 7/20) ergänzt dieses jetzt zutreffend um den Hinweis, dass diese Bindungswirkung nicht eintritt, wenn der ursprünglich gewählte Aufteilungsmaßstab nach den jetzt veröffentlichten Grundsätzen nicht sachgerecht war.

Konsequenzen für die Praxis

Seit der ersten Entscheidung des EuGH sind nun 10 Jahre vergangen, in denen sich die Finanzverwaltung nicht zu der sich ändernden Fragestellung der Vorsteueraufteilung geäußert hat. Spätestens nach dem zweiten Urteil des EuGH aus dem Jahr 2016 und der dazu ergangenen Rechtsprechung des BFH hätte eine zeitnahe Stellungnahme durch die Finanzverwaltung erfolgen müssen.

Nun hat die Finanzverwaltung die Rechtsprechung dargestellt und in den Anwendungserlass eingearbeitet. Dies hat sie vollständig vorgenommen, aber gleichzeitig deutlich gemacht, dass aus ihrer Sicht der Flächenschlüssel als Aufteilungsmaßstab der grundsätzliche Aufteilungsmaßstab bleibt. In der Praxis werden bei unterschiedlich genutzten Gebäuden häufig erhebliche Unterschiede in der Ausstattung vorhanden sein, sodass dann der objektbezogene Umsatzschlüssel der präzisere Aufteilungsmaßstab ist.

Zur Frage der erheblichen Unterschiede in der Ausstattung hat die Finanzverwaltung darauf hingewiesen, dass diese auch zu Unterschieden im Bauaufwand führen müssen. Ob die Unterscheidung in "luxuriös" und "schlicht" ausgebaute Räume eine glückliche Unterscheidung ist, mag bezweifelt werden. In der Praxis werden eher Unterschiede in der funktionellen Ausstattung vorhanden sein (so sind regelmäßig Mietwohnräume technisch weniger gut ausgestattet als Büro- oder Gewerberäume), die auch zu erheblichen Unterschieden im Bauaufwand führen. Im Einzelfall wird es daher auch weiterhin zu Meinungsunterschieden zwischen der Finanzverwaltung und dem Unternehmer kommen, die dann vom Finanzgericht als Tatsacheninstanz zu klären sind.

Die Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden. In 2 Bereichen gewährt die Finanzverwaltung bis zur Veröffentlichung des Schreibens im BStBl eine Nichtbeanstandungsregelung:

  • Die Finanzverwaltung beanstandet es nicht, wenn der Unternehmer die Zuordnung von Vorsteuerbeträgen noch nach den bisherigen Grundsätzen (Abschn. 15.17 Abs. 7 Satz 6 und 7 UStAE in der bis zum 19.10.2022 geltenden Fassung) vorgenommen hat (dies betrifft die unmittelbare Zuordnung des Bauaufwands zu einzelnen Verwendungsumsätzen, wenn die Ausstattung oder die Geschoßhöhe der einzelnen Räume erheblich voneinander abweichen).
  • Weiterhin wird nicht beanstandet, wenn der Unternehmer sich wegen der Zuordnung von Photovoltaikanlagen, Blockheizkraftwerken oder Betriebsvorrichtungen auf die bisherige Rechtsauffassung der Verwaltung beruft (Abschn. 15.2c Abs. 10 und Abschn. 15.6a Abs. 3 UStAE in der bis zum 19.10.2022 geltenden Fassung). Bisher konnten diese Anlagen unabhängig davon, ob es sich um wesentliche Bestandteile des Gebäudes handelt, umsatzsteuerrechtlich als eigenständiges Zuordnungsobjekt behandelt werden; dies wurde jetzt dadurch präzisiert, dass dies nicht gilt, wenn es sich ertragsteuerrechtlich um Anschaffungs- oder Herstellungskosten des gesamten Gebäudes handelt.

Hat der Unternehmer in der Vergangenheit einen Aufteilungsmaßstab gewählt, der sich nach diesen Grundsätzen nicht als sachgerecht herausstellt, gibt es nach dem veröffentlichten Schreiben der Finanzverwaltung keinen Vertrauensschutz. Ob aber die Finanzverwaltung in den Fällen, in denen der Unternehmer den Flächenschlüssel als Aufteilungsmaßstab herangezogen hat, obwohl ein anderer Aufteilungsschlüssel präziser wäre, diese Fälle aufgreift und von sich aus einen objektbezogenen Umsatzschlüssel oder einen anderen präziseren Aufteilungsschlüssel anwendet, wird abzuwarten sein.

Im Zweifelsfall werden dem Finanzamt nicht alle Informationen zur Beurteilung vorliegen, sodass dann nach dem Schreiben davon auszugehen ist, dass der Flächenschlüssel der präzisere Aufteilungsmaßstab ist.

Im Zusammenhang mit dem Schreiben hebt die Finanzverwaltung ein Schreiben aus dem Jahr 2008 (BMF, Schreiben v. 30.9.2008) auf, in dem noch von anderen Aufteilungsgrundsätzen ausgegangen wurde.

BMF, Schreiben v. 20.10.2022,  III C 2 - S 7306/19/10001 :003

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