Dies stünde auch im Einklang mit den Vorgaben der EuErbVO. Das Nebeneinander von Art. 35 EuErbVO und Art. 22 EuErbVO zeige, dass der europäische Verordnungsgeber im Einzelfall den Schutz des Pflichtteilsberechtigten für möglich gehalten habe, auch wenn hierdurch die grundsätzliche Rechtswahlfreiheit des Erblassers tangiert wird. Die Wertung in Erwägungsgrund 38 S. 2 EuErbVO, nach dem ein Schutz der Pflichtteilsberechtigten schon dadurch erreicht wird, dass die Rechtswahlmöglichkeiten der EuErbVO auf das Heimatrecht des Erblassers beschränkt sind, stünde dem nicht entgegen. Ein Anwendungsfall des Erwägungsgrunds 58 S. 2 EuErbVO, nach dem ein ordre public Verstoß dann nicht angenommen werden dürfte, wenn dadurch gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union verstoßen würde, sei ebenfalls nicht anzunehmen.[6] Die Tatsache, dass im Kommissionsvorschlag[7] noch vorgesehen war, eine (im finalen Art. 35 EuErbVO fehlende) Ausnahme für Pflichtteilsrechte in die Regelung zum ordre public Vorbehalt aufzunehmen, spreche ebenso für die Möglichkeit des ordre public Verstoßes.

[6] Ungeachtet der Frage danach, wie es sich auswirkt, dass England nicht Vertragsstaat der Verordnung geworden ist.
[7] Nach Art. 27 Abs. 2 des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, KOM/2009/0154 endg. – COD 2009/0157 sollte eine Unvereinbarkeit des zur Anwendung kommenden Rechts mit dem ordre public nicht bereits deshalb anzunehmen sein, dass es den Pflichtteilsanspruch anders regelt als das Recht am Ort des angerufenen Gerichts.

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