1. Gemäß § 387 Abs. 1 ZPO ist über die Rechtmäßigkeit der Weigerung des Zeugen, auszusagen, im Zwischenstreit zu entscheiden. Die Entscheidung ergeht vorliegend im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO, da die Parteien ihr Einverständnis hiermit erteilt haben.

2. Dem Antragsgegner und Zeugen steht kein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO in Bezug auf den Erblasser M. H. zu.

a) Gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO steht dem Rechtsanwalt ein Zeugnisverweigerungsrecht in Bezug auf alle Tatsachen zu, die ihm im Rahmen eines Mandatsverhältnisses anvertraut wurden. Anvertraut sind nicht nur Tatsachen, bei denen der Wunsch nach Vertraulichkeit ausdrücklich ausgesprochen wird; es genügt auch das stillschweigende Verlangen nach Geheimhaltung (vgl. MüKo-ZPO/Damrau ZPO, 5. Aufl. 2016, § 383 Rn 33, beck-online). Das Zeugnisverweigerungsrecht betrifft nicht nur schriftliche oder mündliche Mitteilungen, sondern es erstreckt sich auch auf alle sonstigen Umstände, die der Rechtsanwalt aufgrund und im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit erfährt (vgl. MüKo-ZPO aaO Rn 32). Dem Zeugnisverweigerungsrecht im Prozess entspricht eine Pflicht zur Verschwiegenheit dem Mandanten gegenüber, deren Verletzung gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB mit Strafe bedroht ist.

b) Dabei wirkt die Schweigepflicht grundsätzlich über den Tod des Mandanten hinaus (vgl. BGHZ 91, 392, 398; BayObLG, Beschluss vom 21.8.1986, BReg 1 Z 34/86 = NJW 1987, 1492; BayObLG, Beschluss vom 2.3.1966, BReg. 1 a Z 76/65 = NJW 1966, 1664; MüKo-ZPO aaO Rn 36; jeweils zitiert nach beck-online; vgl. auch Nr. 2.2.3 CCBE). Das Verfügungsrecht geht nicht auf die Erben über (vgl. Henssler/Prütting BRAO/ Offermann-Burckart, 4. Aufl., Rn 12 zu 2.3 CCBE), da die Pflicht zur Verschwiegenheit dem Schutz der Geheimsphäre des Einzelnen dient. Deshalb kann grundsätzlich nur derjenige von der Schweigepflicht entbinden, zu dessen Gunsten sie besteht (vgl. MüKo-ZPO/Damrau ZPO § 385 Rn 7, beck-online).

Soweit die Auffassung vertreten wird, da Vermögensrechte vererblich seien, gelte dies auch für das Recht, von der Geheimhaltung vermögenswerter Interessen zu entbinden (vgl. MüKo-ZPO/Damrau ZPO § 385 Rn 8, beck-online), ist allerdings zu differenzieren: Der Erblasserwille hat grundsätzlich vermögensmäßige Auswirkungen. Allerdings können die Motive des Erblassers, die zu seiner letztwilligen Verfügung führen, höchstpersönlicher Natur sein. Eine klare Trennung von Umständen, die der persönlichen (Intim-)Sphäre zuzurechnen sind, von solchen, die ausschließlich Vermögensinteressen betreffen, wird vielfach kaum möglich sein. Im Übrigen verkörpert der Erblasserwille als solcher – anders zum Beispiel als ein Betriebsgeheimnis – keinen Vermögenswert. Schon aus diesen Gründen kann die Disposition über das Geheimnis nicht auf die Erben übergehen (so OLG Stuttgart, Beschluss vom 18.10.1982 = OLGZ 1983, 6, beck-online, in Bezug auf die Testierfähigkeit des Erblassers).

Ein Weiteres kommt im vorliegenden Fall hinzu: Die Parteien des Rechtsstreits streiten über die Auslegung eines Testaments, welches sie beide begünstigt. Streitig ist insbesondere, ob eine Teilungsanordnung oder ein Vorausvermächtnis vorliegt. Nach dem vom Amtsgericht München erteilten Gemeinschaftlichem Erbschein vom 9.7.2013 (Anlage K 4) ist die Klägerin Erbin zu 5/10, die Beklagte Erbin zu 3/10 und S. H. Erbin zu 2/10. Unterstellt, die Parteien sind Miterben (der Erbschein bindet das Zivilgericht nicht, vgl. Palandt-Weidlich, 77.Aufl., § 2353 Rn 77), könnte die Entbindung von der Schweigepflicht nur durch alle Erben gemeinsam erklärt werden. Es hätte dann ein Erbe in der Hand, durch die Verweigerung der Entbindung von der Schweigepflicht die Aussage des Zeugen zu blockieren. Dies kann nicht im Interesse des Erblassers sein. Vielmehr kann es die Art der anvertrauten Tatsache gebieten (hier der Erblasserwille), dass nur derjenige über ihre Offenbarung entscheiden darf, dem sie anvertraut wurde, so dass es auf eine Entbindung gem. § 385 Abs. 2 ZPO durch die Erben des Vertrauensgebers nicht ankommt (vgl. MüKo-ZPO/Damrau ZPO § 383 Rn 36, beck-online).

b) Der Rechtsanwalt, dem im Rahmen eines Mandatsverhältnis ein Geheimnis anvertraut wurde, muss nach dem Tod seines Mandanten nach pflichtgemäßem Ermessen darüber entscheiden, ob er im Zivilprozess gem. § 383 Abs. 1 Nr.6 ZPO von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht oder ob er aussagt und auf diese Weise Vertrauliches offenbart. Er befindet sich dabei im Spannungsfeld zwischen dem (mutmaßlichen) Willen des ehemaligen Mandanten und der Gefahr der eigenen Strafverfolgung (§ 203 Abs. 1 Nr.3, Abs. 4 StGB).

Soweit es an einer Willenserklärung des Erblassers fehlt, ist der mutmaßliche Wille des Erblassers zu erforschen (vgl. BGHZ 91, 392, 399; BayObLG, Beschluss vom 21.8.1986, BReg 1 Z 34/86 = NJW 1987, 1492, Rn 16, juris; Zöller-Greger, 31. Aufl. § 385 Rn 10). Dabei verbleibt dem Geheimnisträger ein Entscheidungsspielraum, der durch die Gerichte nur eingeschränkt nachprüf...

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