Das OLG München hat in seiner Entscheidung vom 1.6.2017 klargestellt, dass es dem Erben gemäß § 242 BGB verwehrt sein kann, sich zur Abwehr des Anspruchs des Pflichtteilsberechtigten auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses auf die Einrede der Dürftigkeit nach § 1990 Abs. 1 S. 1 BGB zu berufen. Es hat weiter betont, dass diesem Anspruch des Pflichtteilsberechtigten der Einwand des Rechtsmissbrauchs oder der Schikane nur in besonderen Einzelfällen entgegengehalten werden kann.

Grundsätzlich steht dem Pflichtteilsberechtigten gemäß § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB ein Anspruch auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu. Aus diesem Anspruch resultieren in der Praxis zahlreiche ungeklärte Streitfragen, welche Literatur und Rechtsprechung immer wieder beschäftigen. Zu diesen Streitfragen gehört auch die Frage, ob die Einholung eines notariellen Nachlassverzeichnisses bei einem wertlosen oder gar überschuldeten Nachlass vom Erben verweigert werden darf. Hieran schließt sich unmittelbar die weitere Frage an, ob, selbst wenn die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses infolge der Erhebung der Dürftigkeitseinrede grundsätzlich verweigert werden darf, dies auch gilt, wenn der Pflichtteilsberechtigte – wie in der Literatur verschiedentlich vorgeschlagen – die Übernahme der Kosten des notariellen Nachlassverzeichnisses ausdrücklich anbietet (so z. B. Stenzel, ZJS 2010, 114; Kuhn/Trappe, ZEV 2011, 347, 349; Rösler, in: Groll, Praxishandbuch Erbrecht, 4. Aufl. 2015, IV. Rn 212 aE).

Ausgangspunkt für die Beantwortung dieser Fragen ist § 2314 Abs. 2 BGB, welcher regelt, dass die Kosten der Auskunft und der Wertermittlung dem Nachlass zur Last fallen. Im Hinblick auf die Einholung eines Wertermittlungsgutachtens hat der BGH bereits entschieden, dass dies vom Erben gemäß § 1990 Abs. 1 S. 1 BGB verweigert werden darf, wenn ein Aktivnachlass, aus dem die Kosten für das Gutachten entnommen werden können, nicht vorhanden ist und er selbst daher im Ergebnis mit erheblichen Kosten belastet werden würde (BGH NJW 1989, 2887). Bislang höchstrichterlich nicht entschieden ist, ob auch die Einholung eines notariellen Nachlassverzeichnisses bei wertlosem Nachlass nach § 1990 Abs. 1 S. 1 BGB verweigert werden kann. Auch obergerichtliche Urteile fehlten zu dieser Frage bislang. Zwar hatte sich sowohl das OLG Schleswig in seiner Entscheidung vom 30.7.2010 (OLG Schleswig, ZEV 2011, 31) als auch das OLG München in seiner Entscheidung vom 17.6.2013 (OLG München, Az 20 U 2127/13) mit dieser Frage zu befassen, allerdings jeweils nur im Rahmen eines Beschlusses zum Prozesskostenhilfeverfahren. Das OLG Schleswig hatte bereits damals festgestellt, dass überwiegendes dafür spricht, dem Pflichtteilsberechtigten einen Anspruch auf Einholung eines notariellen Nachlassverzeichnisses bei Dürftigkeit des Nachlasses zu versagen. Auch das OLG München hatte in seinem Beschluss unter Bezugnahme auf den Beschluss des OLG Schleswig darauf hingewiesen, dass es zu der Auffassung neige, ein notarielles Nachlassverzeichnis könne bei einem wertlosen Aktivnachlass nicht verlangt werden, da die Kosten hierfür nicht aus dem Nachlass bestritten werden könnten.

Ob die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses auch bei einem wertlosen Nachlass zumindest dann verlangt werden kann, wenn der Pflichtteilsberechtigte die Übernahme der Kosten für das notarielle Nachlassverzeichnis ausdrücklich anbietet, war nicht Gegenstand dieser Entscheidungen. Vor der aktuellen Entscheidung des OLG München gab es zu dieser in der Literatur vielfach diskutierten Problematik nur eine einzige (veröffentlichte) Entscheidung, die Entscheidung des LG Amberg vom 17.12.2015 (LG Amberg, ZErb 2016, 145). In seinen Entscheidungsgründen stellte das LG Amberg – im Wesentlichen unter Bezugnahme auf den oben genannten Beschluss des OLG Schleswig – fest, dass die Einholung eines notariellen Nachlassverzeichnisses analog § 1990 Abs. 1 S. 1 BGB verweigert werden darf, wenn ein Nachlass nicht einmal die Kosten für ein notarielles Nachlassverzeichnis deckt. Auch dem für diesen Fall gestellten Hilfsantrag, den beklagten Erben zur Auskunftserteilung durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses auf Kosten des pflichtteilsberechtigten Klägers zu verurteilen, erteilte das LG Amberg eine klare Absage. Nach Auffassung des Gerichts sei der Antrag nicht geeignet, die Einrede nach § 1990 Abs. 1 S. 1 BGB auszuschließen, da er nach wie vor darauf abziele, die Beklagte zur Auskunftserteilung durch ein notarielles Nachlassverzeichnis zu verurteilen. Nach allen denkbaren Auslegungsvarianten würden die Kosten für die Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses nach wie vor dem Nachlass zur Last fallen. Die Erbin bliebe entweder weiterhin alleinige Kostenschuldnerin, der lediglich ein Regressanspruch gegen den Pflichtteilsberechtigten zustehe, oder wäre allenfalls gemeinsam mit dem Pflichtteilsberechtigten Gesamtschuldnerin nach § 32 Abs. 1 GNotKG.

Das OLG München hatte sich in s...

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