In der neueren Rechtsprechung tritt die Frage nach einem Interessenkonflikt des Testamentsvollstreckers generell weiter in den Hintergrund, ohne dass die hier erörterte Frage Gegenstand einer Entscheidung geworden wäre.

Der BGH stellt in seinem Urteil vom 26.1.2005[8] darauf ab, ob die "Doppelstellung [als Erbe und Testamentsvollstrecker] nicht sinnlos erscheint". Er bejaht dabei die Sinnhaftigkeit der Benennung eines alleinigen Vorerben zum Testamentsvollstrecker mit der Aufgabe der Vermächtniserfüllung. Zur Begründung führt das Gericht aus, dass der Testamentsvollstrecker im Gegensatz zu einem nicht mit einer Testamentsvollstreckung beschwerten Erben der Aufsicht des Nachlassgerichts unterliege, und bei groben Pflichtverstößen ein neuer Testamentsvollstrecker benannt werden könne.[9] Auch wenn sich diese Entscheidung nicht mit der Nacherbenvollstreckung durch den Vorerben beschäftigt, sind zwei Aspekte der Begründung auch für diese Frage relevant. Zum einen wird nicht mehr ein möglicher Interessenwiderstreit, sondern die Sinnhaftigkeit der Benennung des Erben zum Testamentsvollstrecker, mehrfach als entscheidendes Kriterium benannt. Zum anderen begründet der BGH die Sinnhaftigkeit gerade mit dem möglichen Interessenkonflikt, wenn er darlegt, dass die gerichtliche Aufsicht über einen Testamentsvollstrecker gegeben sei, nicht jedoch über einen Erben als solchen, und daher die Erfüllung von Verpflichtungen gegenüber anderen Begünstigten bei Benennung des Erben als Testamentsvollstrecker besser und nicht – wie das Reichsgericht offenbar meinte – schlechter gewährleistet sei.[10]

Nur scheinbar aus dem Rahmen fällt die Entscheidung des OLG Jena vom 6.5.2008,[11] die die Einsetzung des Vorerben zum Verwaltungstestamentsvollstrecker für den Vorerben ablehnt, wenn allenfalls solche Vermächtnisse bestehen, die sofort zu erfüllen sind bzw. bereits erfüllt wurden. Es mag zwar dahinstehen, ob die Entscheidung wirklich mit der des BGH vom 26.1.2005 in Einklang zu bringen ist;[12] jedenfalls stellt sie aber gerade nicht auf einen – im Fall der Bestellung des Vorerben zum "Vorerbenvollstrecker" auch nicht ersichtlichen – Interessenwiderstreit ab, sondern auf die "sinnlose Doppelstellung" des Allein(vor-)erben als Testamentsvollstrecker.

Im Ergebnis lässt sich somit festhalten, dass in der neueren Rechtsprechung die vom Reichsgericht herangezogene Prämisse, wonach nicht Testamentsvollstrecker sein dürfe, wer in einem möglichen Interessenkonflikt stehe, nicht mehr vertreten, ja sogar ausdrücklich abgelehnt, und der Testierfreiheit insoweit mehr Bedeutung beigemessen wird.

[10] Auch Reimann, der die Nacherbenvollstreckung durch den Vorerben wegen des Interessenkonflikts ablehnt (s. unten), hält die Testamentsvollstreckung des Alleinerben für möglich, MittBayNot 2013, 393, 395.
[12] Dagegen spricht die mE eindeutige Formulierung in der zitierten BGH-Entscheidung: "Danach hat das BerGer. mit Recht angenommen, dass die Bestimmung eines alleinigen Erben oder Vorerben zum Testamentsvollstrecker auch dann zulässig und wirksam ist, wenn sich dessen Aufgabe auf den sofortigen Vollzug bestimmter Vermächtnisse zu Lasten der Erbschaft und im Interesse des Begünstigten beschränkt und bei groben Pflichtverstößen des Erben ein anderer als Testamentsvollstrecker an seine Stelle tritt." (...) Das OLG Jena stellt demgegenüber in Verkennung dieser Ausführungen des BGH darauf ab, dass doch der Erbe ohnehin zur Erfüllung von Vermächtnissen verpflichtet sei, "so dass es einer darüber hinausgehenden Einsetzung eines Testamentsvollstreckers nicht bedurft hat." (...) – eine Formulierung, der sich sogar die völlig systemwidrige Aussage entnehmen ließe, dass auch die Bestellung eines anderen als des Erben zum Testamentsvollstrecker sinnlos und daher unwirksam wäre! Des Weiteren begründet das OLG Jena seine Entscheidung damit, dass es anders als im vom BGH zu entscheidenden Fall um ein sofort erfüllbares Vermächtnis ging, obwohl der BGH die Testamentsvollstreckung durch den Erben ausdrücklich auch dann zulässt, wenn es nur um den "sofortigen Vollzug bestimmter Vermächtnisse" geht.

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