Entscheidend dürfte im Ergebnis sein, ob es sich um eine Eigenverbindlichkeit oder aber eine vom "Erblasser herrührende Erblasserschuld" handelt.[30] Anhand einiger Beispiele sei dies verdeutlicht:

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 1

Variante 1[31]: Im Eingangsbereich des Wohnhauses des Erblassers befindet sich eine Treppe, die schadhaft ist; dort kommt es schließlich zum Sturz eines Kindes, in dessen Verlauf das Kind Verletzungen erleidet. Der Erbe hatte keine Erkenntnisse über die vorhandene Beschädigung.

Variante 2: Der Erbe nimmt im Rahmen der Nachlassabwicklung/-Verwaltung das Fahrzeug des Erblassers in Besitz und nutzt es auch. Im Zuge der Nutzung kommt es zu einem Verkehrsunfall, bei dem es zu hohen Sach- und Personenschäden kommt.[32] Entsteht eine Eigenverbindlichkeit des Erben?

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 2[33]

Der Erblasser war Mieter einer Mietwohnung innerhalb eines auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Mietverhältnisses. Nach dem Tode des Erblassers unterlässt es der Erbe (Abkömmling, ein Ehepartner ist nicht vorhanden), das Mietverhältnis zu kündigen.

Abwandlung: Der Erbe nutzt das Mietobjekt weiter.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 3[34]

Die Erblasserin hatte ursprünglich ein Wohnrecht inne, das mit ihrem Tod erloschen ist. Das Wohnrecht wurde durch den Abkömmling A1 eingeräumt. Als gesetzliche Erben (erster Ordnung) stehen drei Abkömmlinge zur Debatte und zwar A1, A2 und A3. Abkömmlinge A1 und A2 hatten die Erbschaft unmittelbar nach der Beisetzung ausgeschlagen (A2 hat keine Abkömmlinge), ebenso wiederum die Abkömmlinge des Abkömmlings A1. Lediglich A3 hat die Erbschaft nicht ausgeschlagen, weil diese – mangels Interesse der Abkömmlinge A1 und A2 an der Organisation und Finanzierung – die Bestattungskosten alleine aufgebracht hatte und die gesamte Bestattung finanziert hatte.

Da noch einige Zahlungen aus Versicherungsleistungen (in geringer Höhe) zur Auszahlung standen, die gerade ausreichend waren, um die Bestattungskosten zu begleichen, entschied sich A3 letztendlich, die Erbschaft nicht auszuschlagen, obzwar ein Räumungsanspruch der Eigentümerin A1 bestand, der in nicht unerheblichem Umfang Passiva begründen könnte. Die Frage, die sich stellte, war einzig und allein diejenige, ob der Räumungsanspruch der A1 gegen die A3 eine Erblasserschuld darstellt, mit der Folge, dass die Haftung wirksam auf den Nachlass beschränkt werden kann, oder aber eine Eigenschuld des Erben bestand.

Diese Frage dürfte insbesondere in ländlichen Regionen, in denen die Eltern und Kinder gemeinsam in einem Objekt leben und die Einräumung eines Wohnrechts zur typischen Vertragsgestaltung zählt, nicht unerheblich sein und vor allem ebenso praxisrelevant.

[30] Zur Abgrenzung ausführlich Marotzke in: Staudinger, BGB, Bearbeitung 2002, § 1967, Rn 19 ff mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
[31] Ähnliches Beispiel bei Marotzke (Fn 30), Rn 22.
[32] Versicherungsrechtliche Aspekte bleiben dabei außen vor.
[33] In Anlehnung an die Ausführungen von Marotzke (Fn 30), Rn 24.
[34] Diesem Beispiel liegt ein praktischer Fall zugrunde, wobei die Eigentümerin, die dem Begehren der Erbin (A3) auf Einräumung des unmittelbaren Besitzes im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens (AG Saarlouis – 25 C 2040/09 –) die Einräumung desgleichen mit der Begründung verweigert hat, es bestehe ein Zurückbehaltungsrecht wegen etwaiger Ansprüche aus den §§ 985, 1004 BGB, was allerdings nach allgemeinem juristischen (Grund-)Verständnis nicht beachtlich ist, weil petitorsische Ansprüche im Rahmen des possessorischen Besitzschutzprozesses nicht zu berücksichtigen sind. Allenfalls im Falle der Widerklage sind diese mit zu berücksichtigen, sodass bei Entscheidungsreife die Klage abgewiesen werden würde (vgl. § 864 Abs. 2 BGB; so auch die hM,; vgl. die Nachweise bei Bund in: Staudinger (Fn 30), Bearbeitung 2007, § 864, Rn 6 ff). Da allerdings eine Widerklage im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht statthaft ist (vgl. LG Köln, Urteil vom 12.10.2005 – 28 O 417/05, ZUM 2006, 71 ff mwN), stellt sich dieses Problem in diesen Verfahren erst im Falle des Hauptverfahrens. Ausführlich zu der Problematik der Besitzrechte an der Wohnung des Erblassers Damrau, ZErb, 2009, 322 ff. Dieser Aspekt konnte folglich außen vor bleiben, wobei der weitere Verfahrensgang sich dennoch äußerst komplex gestaltete.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge