II.

Die Beschwerde ist, soweit sie überhaupt den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 S. 3 FGO genügt, zumindest unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

1. Der behauptete Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn hinsichtlich ihrer Beantwortung Unsicherheit besteht. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar oder vorgetragen sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage geboten erscheinen lassen. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage wird dagegen nicht aufgeworfen, wenn die streitige Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Beschl. v. 4.1.2023 – XI B 51/22, Rn 3).

b) Nach diesen Maßstäben kommt weder dem Verhältnis des § 6 ErbStG zum Zivilrecht noch der Frage nach dessen Verfassungskonformität grundsätzliche Bedeutung zu.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH hat § 6 ErbStG diejenige Bedeutung, die die Klägerin beanstandet. Die erbschaftsteuerrechtliche Behandlung von Vor- und Nacherbschaft weicht teilweise von der Systematik des Zivilrechts ab. Dies ist zulässig und entspricht dem gesetzgeberischen Willen, selbst wenn es die praktische Rechtsanwendung vor zusätzliche Anforderungen stellen sollte. Insoweit besteht kein Klärungsbedarf mehr.

Der Anfall der Nacherbschaft gilt grundsätzlich als Erwerb vom Vorerben. Während zivilrechtlich nach §§ 2100, 2139 BGB der Vorerbe und der Nacherbe zwar nacheinander, aber beide vom ursprünglichen Erblasser erben, gilt erbschaftsteuerrechtlich nach § 6 Abs. 1 ErbStG der Vorerbe als Erbe. Sein Erwerb unterliegt in vollem Umfang und ohne Berücksichtigung der Beschränkungen durch das Nacherbenrecht der Erbschaftsteuer. Bei Eintritt der Nacherbfolge haben nach § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG diejenigen, auf die das Vermögen übergeht, den Erwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern. Die Vorschrift fingiert für erbschaftsteuerrechtliche Zwecke, dass der Nacherbe Erbe des Vorerben wird. Nach Maßgabe von § 6 Abs. 2 S. 2-5 ErbStG ist auf Antrag der Versteuerung das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen (BFH, Urt. v. 31.8.2021 – II R 2/20, BFHE 273, 572, BStBl II 2022, 387, Rn 13). Geht beim Tod des Vorerben neben dem zur Nacherbschaft gehörenden Vermögen zugleich eigenes Vermögen des Vorerben auf den Nacherben über, weil der Nacherbe gleichzeitig Allein- oder Miterbe nach dem Vorerben ist, liegen zivilrechtlich zwei Erbfälle vor, einer nach dem Erblasser und ein weiterer nach dem Vorerben. Erbschaftsteuerrechtlich handelt es sich gleichwohl um einen einheitlichen Erwerb vom Vorerben (BFH, Urt. v. 1.12.2021 – II R 1/20, BFHE 275, 355, BStBl II 2022, 518, Rn 13).

bb) Ebenso wenig bedarf die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des § 6 ErbStG der Klärung. Der BFH hat bereits mehrfach entschieden, dass die Vorschriften über die Besteuerung des Vorerben nicht die maßgebenden verfassungsrechtlichen Grenzen überschreiten. Die dem Gesetzgeber durch Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG übertragene Bestimmung von Inhalt und Schranken des Erbrechts eröffnet ihm auch hinsichtlich der Erbschaftsteuer im Rahmen der Garantie des Privaterbrechts eine weitreichende Gestaltungsbefugnis. Die Erbrechtsgarantie gewährleistet nicht das (unbedingte) Recht, den gegebenen Eigentumsbestand von Todes wegen ungemindert auf Dritte zu übertragen; die Möglichkeiten des Gesetzgebers zur Einschränkung des Erbrechts sind – weil sie an einen Vermögensübergang anknüpfen – weitergehend als die zur Einschränkung des Eigentums (BFH, Beschl. v. 6.11.2006 – II B 37/06, BFH/NV 2007, 242, unter II.2.d; ebenso BFH, Urt. v. 13.4.2016 – II R 55/14, BFHE 254, 43, BStBl II 2016, 746, Rn 8 und BFHE 273, 572, BStBl II 2022, 387, Rn 13). Diese Erwägungen gelten gleichermaßen für die Besteuerung des Nacherben.

2. Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

a) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert. Insoweit ist die Beschwerde unzulässig.

aa) Die Revisionszulassung nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH, das BVerfG, der GmS-OGB, ein anderes oberstes Bundesgericht oder ein anderes FG. Das FG muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge