I.

Mit notarieller Urkunde vom 27.4.2021 (…) beantragte die Antragstellerin die Erteilung eines Erbscheins, wonach sie alleinige Erbin des am 30.6.2020 in Merzig verstorbenen Erblassers geworden sei; ein von ihr zuvor unter dem 24.9.2020 eingereichter gleichlautender Erbscheinsantrag (Az. 6 VI 451/20 AG Merzig) war in der Folge zurückgenommen worden.

Der Erblasser war zum Zeitpunkt des Erbfalls verwitwet und kinderlos, seine bereits verstorbenen Eltern hatten in der Beteiligten zu 3) noch eine weitere Tochter. Der Erblasser hatte unter dem 30.3.2019 ein privatschriftliches Testament errichtet, das vom AG – Nachlassgericht – Merzig am 8.7.2020 eröffnet wurde (Az. 6 IV 392/20); darin hieß es (wörtlich):

Zitat

Hiermit verfüge ich, meine Lebensgefährtin H., geborene B., W., (…) als Erbe für mein Haus R. 1 a ein.

Mein Barvermögen bei der S. Bank Merzig und U. e.G. erbt H. geborene B.

Meine Grundstücke und Anteile an Grundstücken vererbe ich meinen Nichten G., D. und Neffe H.

Für meine Beerdigung und Folgekosten zeichnet meine Lebensgefährtin H. geborene B.

Zur Begründung ihres Erbscheinsantrags hat die Antragstellerin die Ansicht vertreten, dass das in der Begrifflichkeit nicht eindeutige Testament dahin auszulegen sei, dass sie nach dem Willen des Erblassers zu dessen Alleinerbin eingesetzt sei; dies folge daraus, dass er ihr, von einzelnen Ackergrundstücken abgesehen, den ganz wesentlichen Teil seines Vermögens zugewandt habe. Der Beteiligte zu 2) hat der Erteilung des beantragten Erbscheins widersprochen und gemeint, der Erblasser habe mit dem Testament keine Alleinerbeneinsetzung der Antragstellerin beabsichtigt. Richtigerweise ergebe die Auslegung, dass ihr nur Geldwerte, nämlich die Nutzungen aus dem Hausanwesen und die Bankkonten, zugewandt worden seien. Demgegenüber gebührten den anderen Beteiligten erhebliche Grundstückswerte, einschließlich des Grundstücks, auf dem das der Antragstellerin zugewandte "Haus" aufstehe.

Mit dem angefochtenen Beschluss (…) hat das AG die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet; zugleich hat es die Wirksamkeit dieses Beschlusses bis zu dessen Rechtskraft ausgesetzt. Es hat angenommen, dass die Antragstellerin durch das Testament zur Alleinerbin eingesetzt worden sei; dies folge aus der Auslegung der letztwilligen Verfügung, die in Rechnung stellen müsse, dass einerseits der Antragstellerin sowohl das Hausgrundstück, als auch die Bankkonten und damit der wesentliche Teil des Erblasservermögens zugewandt worden sei und sie auch für die Bestattungs- und Folgekosten aufzukommen habe, während die Neffen und Nichten des Erblassers lediglich mit einzelnen Grundstücksvermächtnissen bedacht worden seien.

Gegen diese seinem Verfahrensbevollmächtigten am 4.1.2022 zugestellten Entscheidung richtet sich die am 4.2.2022 eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 2), der sich unter Wiederholung und Vertiefung seiner früheren Argumente weiterhin gegen die Erteilung des beantragten Erbscheins an die Antragstellerin wendet, stattdessen nunmehr die Schwester des Erblassers als Alleinerbin sowie die Neffen und Nichten als Begünstigte des nicht bebauten Teils des Grundstücks R. 1a ansieht (Bl. 59 ff., 62 d.A.), und der das AG mit Beschl. v. 3.3.2022 (Bl. 63 d.A.) nicht abgeholfen hat.

Der Senat hat die Akten 6 IV 392/20 (Testamentseröffnung) und 6 VI 451/20 (vorausgegangenes Erbscheinverfahren) zur Kenntnis genommen.

II.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des AG Merzig vom 22.12.2021, über die gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG das OLG zu entscheiden hat, ist nach den §§ 58 ff. FamFG zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt worden. Sie ist jedoch unbegründet. Die Entscheidung, den beantragten Erbschein zu erteilen, entspricht der Rechtslage, weil die zur Begründung dieses Antrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet werden können (§ 352e Abs. 1 S. 1 FamFG). Die Antragstellerin ist aufgrund des privatschriftlichen Testaments vom 30.3.2019, hinsichtlich dessen Authentizität keine begründeten Zweifel bestehen, alleinige Erbin des am 30.6.2020 verstorbenen Erblassers geworden. Die dahingehende Auslegung des Testaments durch das Nachlassgericht ist nicht zu beanstanden; sie wird vom Senat auch vor dem Hintergrund des weiteren Beschwerdevorbringens uneingeschränkt geteilt.

1.

Bei der – vorliegend in erster Linie gebotenen – Auslegung des Testaments vom 30.3.2019, die der Ermittlung des wirklichen Willens des Erblassers dient (§§ 133, 2084 BGB; vgl. BGH, Urt. v. 7.10.1992 – IV ZR 160/91, NJW 1993, 256; Senat, Urt. v. 15.10.2014 – 5 U 19/13, ErbR 2015, 567), ist zu berücksichtigen, dass der Sprachgebrauch nicht immer so exakt ist oder sein kann, dass der Erklärende mit seinen Worten genau das unmissverständlich wiedergibt, was er zum Ausdruck bringen wollte. Deshalb ordnet § 133 BGB an, den Wortsinn der benutzten Ausdrücke unter Heranziehung aller Umstände zu "hinterfragen": Nur dann kann die Auslegung der Erklärung durch den Ric...

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