Leitsatz (amtlich)

Zur Annahme einer Alleinerbeneinsetzung der Lebensgefährtin des Erblassers trotz augenscheinlicher Verteilung nur einzelner Nachlassgegenstände auf mehrere Personen, wenn die ihr zugewandten Vermögenswerte aus Sicht des Erblassers den wesentlichen Teil seines Nachlasses darstellten und sie nach dem Testament auf für "Beerdigung und Folgekosten" verantwortlich zeichnen sollte.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2084, 2087 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Merzig (Beschluss vom 22.12.2021; Aktenzeichen 6 VI 240/21)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) vom 4. Februar 2022 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Merzig vom 22. Dezember 2021 - 6 VI 240/21 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 64.000,- Euro.

 

Gründe

I. Mit notarieller Urkunde vom 27. April 2021 (UR Nr. 905/2021 des Notars Dr. H. = Bl. 3 ff. d.A.) beantragte die Antragstellerin die Erteilung eines Erbscheines, wonach sie alleinige Erbin des am 30. Juni 2020 in Merzig verstorbenen Erblassers geworden sei; ein von ihr zuvor unter dem 24. September 2020 eingereichter gleichlautender Erbscheinsantrag (Az. 6 VI 451/20 AG Merzig) war in der Folge zurückgenommen worden.

Der Erblasser war zum Zeitpunkt des Erbfalles verwitwet und kinderlos, seine bereits verstorbenen Eltern hatten in der Beteiligten zu 3) noch eine weitere Tochter. Der Erblasser hatte unter dem 30. März 2019 ein privatschriftliches Testament errichtet, das vom Amtsgericht - Nachlassgericht - Merzig am 8. Juli 2020 eröffnet wurde (Az. 6 IV 392/20); darin hieß es (wörtlich):

"Hiermit verfüge ich, meine Lebensgefährtin H., geborene B., W., 66663 Merzig, geboren am ... als Erbe für mein Haus R. 1 a ein.

Mein Barvermögen bei der S. Bank Merzig und U. e.G.

erbt H. geborene B..

Meine Grundstücke und Anteile an Grundstücken vererbe ich meinen Nichten G., D. und Neffe H..

Für meine Beerdigung und Folgekosten zeichnet meine Lebensgefährtin H. geborene B.."

Zur Begründung ihres Erbscheinsantrages hat die Antragstellerin die Ansicht vertreten, dass das in der Begrifflichkeit nicht eindeutige Testament dahin auszulegen sei, dass sie nach dem Willen des Erblassers zu dessen Alleinerbin eingesetzt sei; dies folge daraus, dass er ihr, von einzelnen Ackergrundstücken abgesehen, den ganz wesentlichen Teil seines Vermögens zugewandt habe. Der Beteiligte zu 2) hat der Erteilung des beantragten Erbscheines widersprochen und gemeint, der Erblasser habe mit dem Testament keine Alleinerbeneinsetzung der Antragstellerin beabsichtigt. Richtigerweise ergebe die Auslegung, dass ihr nur Geldwerte, nämlich die Nutzungen aus dem Hausanwesen und die Bankkonten, zugewandt worden seien. Demgegenüber gebührten den anderen Beteiligten erhebliche Grundstückswerte, einschließlich des Grundstücks, auf dem das der Antragstellerin zugewandte "Haus" aufstehe.

Mit dem angefochtenen Beschluss (Bl. 39 ff. d.A.) hat das Amtsgericht die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet; zugleich hat es die Wirksamkeit dieses Beschlusses bis zu dessen Rechtskraft ausgesetzt. Es hat angenommen, dass die Antragstellerin durch das Testament zur Alleinerbin eingesetzt worden sei; dies folge aus der Auslegung der letztwilligen Verfügung, die in Rechnung stellen müsse, dass einerseits der Antragstellerin sowohl das Hausgrundstück, als auch die Bankkonten und damit der wesentliche Teil des Erblasservermögens zugewandt worden sei und sie auch für die Bestattungs- und Folgekosten aufzukommen habe, während die Neffen und Nichten des Erblassers lediglich mit einzelnen Grundstücksvermächtnissen bedacht worden seien.

Gegen diese seinem Verfahrensbevollmächtigten am 4. Januar 2022 zugestellten Entscheidung richtet sich die am 4. Februar 2022 eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 2), der sich unter Wiederholung und Vertiefung seiner früheren Argumente weiterhin gegen die Erteilung des beantragten Erbscheines an die Antragstellerin wendet, statt dessen nunmehr die Schwester des Erblassers als Alleinerbin sowie die Neffen und Nichten als Begünstigte des nicht bebauten Teils des Grundstücks R. 1a ansieht (Bl. 59 ff., 62 d.A.), und der das Amtsgericht mit Beschluss vom 3. März 2022 (Bl. 63 d.A.) nicht abgeholfen hat.

Der Senat hat die Akten 6 IV 392/20 (Testamentseröffnung) und 6 VI 451/20 (vorausgegangenes Erbscheinsverfahren) zur Kenntnis genommen.

II. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Merzig vom 22. Dezember 2021, über die gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG das Oberlandesgericht zu entscheiden hat, ist nach den §§ 58 ff. FamFG zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt worden. Sie ist jedoch unbegründet. Die Entscheidung, den beantragten Erbschein zu erteilen, entspricht der Rechtslage, weil die zur Begründung dieses Antrages erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet werden können (§ 352e Abs. 1 Satz 1 FamFG). Die Antragstellerin ist aufgrund des privatschriftlichen Testaments vom 30. März 2019, hinsichtlich de...

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