Bislang konzentrieren sich digitale Produkte im Allgemeinen auf drei Säulen – mandatsvermittelnde oder Dokumente generierende Online-Plattformen, Technologien, die die den anwaltlichen Arbeitsalltag erleichtern sollen[8] sowie die Abwicklung massenhaft auftretender Entschädigungsansprüche und Beratung auf Nischenmärkten.

Aus erbrechtlicher Sicht interessant sind insoweit nur die ersten beiden Säulen. Erbrechtliche Ansprüche lassen sich nicht im Wege des sog. Consumer Claims Purchasing (durch Start-up-Unternehmen wie etwa flighright.de oder rightnow.de) geltend machen, da ihre Begründetheit und Durchsetzbarkeit im Hinblick auf die Einzigartigkeit erbrechtlicher Fälle nicht sicher sind.[9] Ohnehin ist es der Sinn und Zweck der Beratung, dass solche Streitfragen in ihrer Vielzahl erst gar nicht entstehen. So wird in jedem Fall zumindest der Notar ausschließlich im Vorfeld solcher Streitfragen tätig. Ebenso wenig geht es bei der erbrechtlichen Beratung um einen Nischenmarkt. Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Erbrechts sowie die Anzahl der Erbstreitigkeiten nimmt immer weiter zu.[10] Die folgende Übersicht dient daher dazu, sich über die erbrechtlichen Legal-Tech-Angebote einen Überblick zu verschaffen. Deutlich wird ein Trend zur Automatisierung derjenigen Bereiche, die keinen besonders weitreichenden Beratungsaufwand erfordern.

[8] Dazu sei auch die Möglichkeit der digitalen Fernbeurkundung bei der Online-Gründung von Gesellschaften gezählt, ausführlich hierzu Wagner, notar 2021, 89.
[9] Zur Geltendmachung von Ansprüchen im Fluggastrecht und den entsprechenden technischen Verfahren siehe Plottek/Quarch, NZV 2020, 401.
[10] Zur gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des Erbrechts Handbuch des Fachanwalts – ErbR/Frieser, Kap. 1 Rn 5.

1. Online-Plattformen

Der Einfluss von Online-Plattformen jeglicher Art auf das Verhalten von Nutzerinnen und Nutzern ist eindrucksvoll. Grundsätzlich gilt: Wer mit seinem Unternehmen nicht im Netz zu finden ist, keinen Eintrag bei Suchmaschinenbetreibern wie Google hat, der ist nicht mehr konkurrenzfähig. Kunden orientieren sich am Webauftritt und an den Empfehlungen oder Rezensionen anderer Nutzer. Neben Suchmaschinen, Social Media und Onlinehandelsplattformen wie Amazon ist aber auch der Markt für Webseiten und Apps, die Dienstleistungen auf direktem Wege vermitteln, enorm gewachsen. So vermittelt etwa my-hammer.de bundesweit Aufträge an Handwerksunternehmen.

Seit einiger Zeit behaupten sich so auch einige Unternehmen, die online Rechtsdienstleistungen vermitteln. Wurden Anwälte und Notare vor Jahrzehnten entweder nach dem Hören-Sagen empfohlen oder im Telefonbuch gelistet, hängt der Erfolg heutzutage insbesondere davon ab, wie zugänglich die Kanzlei im Netz ist. Eine moderne und gleichermaßen seriöse Webseite soll neben potenziellen Mandanten auch den Nachwuchs überzeugen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei jedoch die Größe der Kanzlei: Eine große Wirtschaftskanzlei akquiriert ihre Mandanten nach wie vor durch ihr selbst geschaffenes Netzwerk. Notare und im Erbrecht tätige Anwälte sind hingegen oft in kleinen Kanzleien oder allein tätig. Auch im Erbrecht lässt sich in vielen Fällen auf ein Netzwerk zurückgreifen, aus welchem sich stets neue Mandate ergeben. Denn die entscheidende Währung ist das besondere Vertrauen, das sich Mandanten und Anwälte oder Notare entgegenbringen. Zudem wird – wie in der Vergangenheit auch – die Qualität der Rechtsberatung ein entscheidender Faktor bei der Weiterempfehlung sein. Prägnante Online-Slogans, plakative Kampfansagen oder schrille Designs spielen für die oftmals ältere Mandantschaft keine maßgebliche Rolle.

Mitunter ist man jedoch auch im Erbrecht auf die im Folgenden vorgestellten mandatsvermittelnden Plattformen oder eigene Legal-Tech-Produkte angewiesen. Dies gilt insbesondere etwa für neugegründete oder in strukturschwachen Gebieten tätige Kanzleien, denen das Netzwerk und damit die Reichweite fehlen.

a) Funktionsweise und Besonderheiten

Auf dem Markt der Rechtsdienstleistungen vermitteln Plattformen meist potenzielle Mandanten an dort vernetzte oder verlinkte Kanzleien. Anhand einer automatischen "Anamnese" des rechtlichen Problem des Nutzers wird eine Vorauswahl aus den im Netzwerk registrierten Anwälten getroffen, eine Empfehlung ausgesprochen oder ein sachlich zuständiger Anwalt meldet sich direkt beim Nutzer.[11] Andere Portale bieten die Möglichkeit, Fragen, auch erbrechtliche, zum Pauschalpreis von spezialisierten Anwälten prüfen zu lassen.[12] So liegt es in der Natur des Erbrechts, dass Angehörige vom einem plötzlichen Erbfall überrumpelt sind und rasch Antworten auf ihre Fragen benötigen. Bin ich wirksam vom Erbe ausgeschlossen? Habe ich Anspruch auf einen Pflichtteil? In welcher Höhe besteht der Anspruch? In der Regel lassen sich eine Vielzahl der Fragen ohne großen Aufwand mithilfe der Chat-Tools der Webseiten oder telefonisch beantworten. Die Honorierung der anwaltlichen Leistung erfolgt ebenfalls über die Webseite, entweder auf Grundlage einer Preispauschale oder nach den gewöhnlichen Ma...

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