Der Einfluss von Online-Plattformen jeglicher Art auf das Verhalten von Nutzerinnen und Nutzern ist eindrucksvoll. Grundsätzlich gilt: Wer mit seinem Unternehmen nicht im Netz zu finden ist, keinen Eintrag bei Suchmaschinenbetreibern wie Google hat, der ist nicht mehr konkurrenzfähig. Kunden orientieren sich am Webauftritt und an den Empfehlungen oder Rezensionen anderer Nutzer. Neben Suchmaschinen, Social Media und Onlinehandelsplattformen wie Amazon ist aber auch der Markt für Webseiten und Apps, die Dienstleistungen auf direktem Wege vermitteln, enorm gewachsen. So vermittelt etwa my-hammer.de bundesweit Aufträge an Handwerksunternehmen.

Seit einiger Zeit behaupten sich so auch einige Unternehmen, die online Rechtsdienstleistungen vermitteln. Wurden Anwälte und Notare vor Jahrzehnten entweder nach dem Hören-Sagen empfohlen oder im Telefonbuch gelistet, hängt der Erfolg heutzutage insbesondere davon ab, wie zugänglich die Kanzlei im Netz ist. Eine moderne und gleichermaßen seriöse Webseite soll neben potenziellen Mandanten auch den Nachwuchs überzeugen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei jedoch die Größe der Kanzlei: Eine große Wirtschaftskanzlei akquiriert ihre Mandanten nach wie vor durch ihr selbst geschaffenes Netzwerk. Notare und im Erbrecht tätige Anwälte sind hingegen oft in kleinen Kanzleien oder allein tätig. Auch im Erbrecht lässt sich in vielen Fällen auf ein Netzwerk zurückgreifen, aus welchem sich stets neue Mandate ergeben. Denn die entscheidende Währung ist das besondere Vertrauen, das sich Mandanten und Anwälte oder Notare entgegenbringen. Zudem wird – wie in der Vergangenheit auch – die Qualität der Rechtsberatung ein entscheidender Faktor bei der Weiterempfehlung sein. Prägnante Online-Slogans, plakative Kampfansagen oder schrille Designs spielen für die oftmals ältere Mandantschaft keine maßgebliche Rolle.

Mitunter ist man jedoch auch im Erbrecht auf die im Folgenden vorgestellten mandatsvermittelnden Plattformen oder eigene Legal-Tech-Produkte angewiesen. Dies gilt insbesondere etwa für neugegründete oder in strukturschwachen Gebieten tätige Kanzleien, denen das Netzwerk und damit die Reichweite fehlen.

a) Funktionsweise und Besonderheiten

Auf dem Markt der Rechtsdienstleistungen vermitteln Plattformen meist potenzielle Mandanten an dort vernetzte oder verlinkte Kanzleien. Anhand einer automatischen "Anamnese" des rechtlichen Problem des Nutzers wird eine Vorauswahl aus den im Netzwerk registrierten Anwälten getroffen, eine Empfehlung ausgesprochen oder ein sachlich zuständiger Anwalt meldet sich direkt beim Nutzer.[11] Andere Portale bieten die Möglichkeit, Fragen, auch erbrechtliche, zum Pauschalpreis von spezialisierten Anwälten prüfen zu lassen.[12] So liegt es in der Natur des Erbrechts, dass Angehörige vom einem plötzlichen Erbfall überrumpelt sind und rasch Antworten auf ihre Fragen benötigen. Bin ich wirksam vom Erbe ausgeschlossen? Habe ich Anspruch auf einen Pflichtteil? In welcher Höhe besteht der Anspruch? In der Regel lassen sich eine Vielzahl der Fragen ohne großen Aufwand mithilfe der Chat-Tools der Webseiten oder telefonisch beantworten. Die Honorierung der anwaltlichen Leistung erfolgt ebenfalls über die Webseite, entweder auf Grundlage einer Preispauschale oder nach den gewöhnlichen Maßstäben des RVG, sofern die Plattform nur die Vermittlung des Mandats übernimmt.

Die Vorteile für die Beteiligten liegen auf der Hand. Der Mandant erspart sich erstens die Suche nach dem passenden Anwalt, zweitens erhält er die Antwort auf seine Frage innerhalb kürzester Zeit und drittens entstehen geringere Kosten. Der Anwalt hingegen ist nicht an eine terminliche Abstimmung mit den Mandanten gebunden und generiert dank der Netzwerk- und Synergieeffekte der Webseiten und durch positive Referenzen der Nutzer Reichweite.

[11] So verfährt in etwa die Plattform https://www.advocado.de/.

b) Internationale Konkurrenz

Die Dimensionen, in denen sich die im internationalen Vergleich größten Legal-Tech-Plattformen bewegen, sind mittlerweile gewaltig. Im Hinblick auf die Statistiken handelt es sich um ein milliardenschweres Geschäft mit großem Wachstumspotenzial.[13] Das ehemalige Start-up des Berkeley-Absolventen Charley Moore "Rocket Lawyer" hat vor kurzem eine Investitionsspritze in Höhe von 223 Millionen US-Dollar erhalten, um die globale Expansion des 2008 gegründeten Unternehmens zu fördern.[14] "LegalZoom" – das womöglich größte Legal-Tech-Unternehmen der Welt erwirtschaftete im Jahr 2020 nach eigenen Angaben einen Umsatz von 500 Millionen US-Dollar.[15] Das Unternehmen ist im Juni 2021 an die Börse gegangen und wurde dort mit ca. 7,5 Milliarden US-Dollar bewertet. Im ersten Quartal soll der Umsatz um 27 Prozent gestiegen sein.[16] CEO Dan Wernikoff sagte im Interview mit dem Nachrichtensender CBNC plakativ: "[…] our mission is to democratize law".[17] Zugang zum Recht für alle – das ist ein erstrebenswertes Ziel. Ist das Recht und seine Beratung, wie wir sie heute kennen, etwa u...

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