Leitsatz

1. Hat das BVerfG die befristete Weitergeltung einer Norm angeordnet, kommt eine erneute Vorlage an das BVerfG für Besteuerungszeitpunkte innerhalb dieses Zeitraums nur in Betracht, wenn die Norm in einem anderen Regelungszusammenhang steht. Ob die Vorschriften – abweichend von der Unvereinbarkeitsbegründung des BVerfG – wegen einer Nichtbegünstigung verfassungsrechtlich beanstandet werden oder nach der Neuregelung unverändert fortbestehen, ist ohne Belang.

2. Die teleologische Reduktion oder Erweiterung der Tatbestandsmerkmale der § 13a, 13b ErbStG 2009, die ausschließlich auf die anderweit gegebene Verfassungswidrigkeit gestützt werden, unterliefen die Wirkung der durch Urteil des BVerfG vom 17.12.2014 – 1’BvL 21/12 angeordneten Weitergeltung und wären deshalb unzulässig.

3. Die Weitergeltungsanordnung des BVerfG steht auch einer Aussage entgegen, dass es zur Behebung der Verfassungswidrigkeit sachlicher Billigkeitsmaßnahmen bedürfe oder bedürfen könne.

4. Eine Nutzungsüberlassung an Dritte i.S.v. § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 S. 1 ErbStG 2009 liegt auch vor, wenn die nutzende GmbH zu mehr als 99 % von den Erwerbern des verpachteten Betriebsgrundstücks beherrscht wird.

5. Die Durchsetzung eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens i.S.v. § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 S. 2 Buchst. a Alt. 1 ErbStG 2009 setzt auch bei faktischer Beherrschung voraus, dass auf die Stimmrechte eingewirkt werden konnte; dies ist weder bei einem (kündbaren) Pachtvertrag noch bei anderweitigen persönlichen Abhängigkeiten der Fall, wenn sie gegenseitig bestehen.

6. Pächter i.S.v. § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 S. 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa ErbStG 2009 können die eine pachtende GmbH zu mehr als 99 % beherrschenden Gesellschafter selbst dann nicht sein, wenn der Verpächter die Gesellschafter zur Rechtsnachfolge von Todes wegen eingesetzt hatte.

7. Auf die Frage, ob ein Vermächtnisnehmer als Erbe i.S.v. § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 S. 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa ErbStG 2009 anzusehen ist, kommt es im Streitfall nicht an.

BFH, Urt. v. 2.12.2020 – II R 22/18

1 Tatbestand

I.

Der 1934 geborene A hatte seit Mitte der 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts bis zum Ende des Jahres 2000 auf eigenen Grundstücken ein Einzelunternehmen betrieben und dort auch gewohnt. Die 1967 und 1970 geborenen Kläger und Revisionskläger (Kläger), seine Neffen, waren in diesem Betrieb als Arbeitnehmer beschäftigt.

Mit Gesellschaftsvertrag vom 8.12.2000 wurde die GmbH mit einem Stammkapital von 75.000 EUR errichtet. Die beiden Kläger leisteten eine Stammeinlage in Höhe von jeweils 37.150 EUR, A eine in Höhe von 700 EUR. Die Kläger wurden zu Geschäftsführern bestellt. Am 2.1.2001 verkaufte und übertrug A den Geschäftsbetrieb seines Einzelunternehmens sowie die zu seinem Betriebsvermögen gehörenden beweglichen Wirtschaftsgüter an die GmbH, die das Unternehmen unter dem eingeführten Firmennamen fortführte. Die Betriebsgrundstücke überließ er der GmbH im Wege der Verpachtung und führte sein nunmehr auf die Verpachtung beschränktes Einzelunternehmen als "[…], Betriebsverpachtung im Ganzen" fort.

In einem gemeinschaftlichen Testament vom 27.1.2006 setzten sich A und seine Ehefrau gegenseitig zu Erben ein. Ein Vermächtnis auf den Tod des A sah vor, dass die beiden Kläger gegen eine mit einer Anpassungsklausel versehenen Versorgungsrente von monatlich 6.500 EUR zugunsten der überlebenden Ehefrau sowohl das Verpachtungsunternehmen als auch den Geschäftsanteil des A an der GmbH zu je hälftigem Miteigentum erhalten sollten.

Mit Vertrag vom 30.7.2012 übertrug A im Hinblick auf deren "künftiges Erbrecht" den Klägern in GbR die betrieblich genutzten Grundstücke gegen eine lebenslängliche Versorgungsrente von monatlich 6.000 EUR; im Falle des Erstversterbens des A sollte der Witwe eine Versorgungsrente von monatlich 3.900 EUR zustehen. Die GbR setzte die Verpachtung der Grundstücke an die GmbH auf der Grundlage eines Vertrags vom 3.9.2012 fort. Am xx.xx.2013 verstarb A.

In ihren Erklärungen zur Feststellung des Bedarfswerts für den Gewerbebetrieb des A auf den 30.7.2012 gaben die Kläger als Verwaltungsvermögen einen Betrag von 8.022 EUR an (Anteile an Kapitalgesellschaften von 25 % oder weniger). Zu "Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, Grundstücksteile" machten sie keine Angaben, da sie die Grundstücke als begünstigtes Verwaltungsvermögen ansahen. Im Februar 2014 beantragten sie im Festsetzungsverfahren "ersatzweise" einen Erlass aus sachlichen und persönlichen Billigkeitsgründen nach § 163 S. 1 der Abgabenordnung (AO). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte auf der Basis gesonderter Grundbesitzwertfeststellungen die Summe der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens auf den 30.7.2012 mit dem letzten im Klageverfahren ergangenen Bescheid vom 21.9.2017 auf 861.954 EUR fest, da die von A auf die GbR der Kläger übertragenen Grundstücke nicht als begünstigtes Verwaltungsvermögen anzusehen seien.

Das Finanzgericht (FG) wies aufgrund einer mündlichen Verhandlung, in ...

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