I.

Der Kläger und ursprüngliche Revisionskläger (Pflichtteilsberechtigter) ist während des Revisionsverfahrens verstorben. Alleinerbin ist die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), seine Ehefrau.

Der Vater des Pflichtteilsberechtigten verstarb im Januar 2008. Er wurde von dessen Ehefrau, der Stiefmutter des Pflichtteilsberechtigten, allein beerbt. Der Pflichtteilsberechtigte machte zunächst keine Pflichtteilsansprüche geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA-) setzte die Erbschaftsteuer für den Erwerb von Todes wegen gegenüber der Stiefmutter des Pflichtteilsberechtigten mit Bescheid von Oktober 2008 auf 0 EUR fest.

Die Stiefmutter des Pflichtteilsberechtigten verstarb im Januar 2011. Der Pflichtteilsberechtigte war ihr Alleinerbe. Das FA setzte mit Bescheid vom September 2011 die Erbschaftsteuer gegen den Pflichtteilsberechtigten wegen des Erwerbs von Todes wegen nach seiner verstorbenen Stiefmutter auf 61.965 EUR fest. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Am 29.6.2012 erließ das FA wegen nachträglich geltend gemachter Nachlassverbindlichkeiten einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid und setzte die Erbschaftsteuer auf 61.785 EUR herab. Dieser Bescheid wurde ebenfalls bestandskräftig.

Am 4.9.2013 beantragte der Pflichtteilsberechtigte, den Erbschaftsteuerbescheid gemäß § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO zu ändern und den von ihm geltend gemachten Pflichtteilsanspruch in Höhe von 97.774 EUR nachträglich als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen. Er habe, nachdem seine Stiefmutter verstorben und er deren alleiniger Erbe geworden sei, mit einem an sich selbst gerichteten Schreiben vom 14.8.2013 seinen Pflichtteilsanspruch aus der Erbschaft nach seinem Vater geltend gemacht. Erbschaftsteuer für den Erwerb des Pflichtteilsanspruchs entstehe nicht, da der Wert des Reinnachlasses den geltenden Freibetrag nicht übersteige. Die Geltendmachung des Pflichtteils wirke auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer gegenüber dem Erben, also auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers zurück und stelle somit ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung i.S. des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO dar. Die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs stünde der Geltendmachung nicht entgegen. Sie führe lediglich zu einer Einrede, die der Schuldner geltend machen könne. Hier sei die Einrede der Verjährung nicht geltend gemacht worden, so dass der Pflichtteilsanspruch weiterhin bestehe.

Das FA lehnte den Änderungsantrag am 21.11.2013 ab. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 29.4.2014 als unbegründet zurück. Als Nachlassverbindlichkeiten seien zwar grundsätzlich auch Verbindlichkeiten aus der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen zu berücksichtigen. Im Streitfall fehle es jedoch an der dafür erforderlichen wirtschaftlichen Belastung des Erben.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) hat das FA den Antrag auf Änderung des Erbschaftsteuerbescheides zu Recht abgelehnt. Ist der Pflichtteilsberechtigte der Alleinerbe des Verpflichteten, so würden sowohl der Pflichtteilsanspruch als auch die entsprechende Verbindlichkeit des ursprünglichen Erben durch die Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person erlöschen. Im Erbschaftsteuerrecht würden zwar die erloschenen Rechtsverhältnisse nach § 10 Abs. 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) als nicht erloschen gelten. Der Abzug des Pflichtteilsanspruchs als Nachlassverbindlichkeit sei jedoch nicht mehr möglich, wenn dieser im Zeitpunkt der Geltendmachung bereits verjährt gewesen sei. Aufgrund des Zusammenfallens von Berechtigung und (verjährter) Verpflichtung in der Person des Pflichtteilsberechtigten treffe diesen keine wirtschaftliche Belastung. Der Eintritt der Verjährung habe zur Folge, dass es allein in der Hand des (vermeintlichen) Pflichtteilsschuldners liege, ob er einen geltend gemachten Pflichtteilsanspruch noch erfülle oder sich auf die Einrede der Verjährung berufe. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 298 veröffentlicht.

Dagegen richtet sich die Revision. Nach Auffassung der Klägerin ist die wirtschaftliche Belastung im Rahmen der Fiktion des’§ 10 Abs. 3 ErbStG nicht zu berücksichtigen. Durch den Eintritt der Verjährung habe der Verpflichtete lediglich das Recht, die Einrede der Verjährung geltend zu machen. Ob er dies tue, müsse ihm überlassen bleiben.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und’das FA zu verpflichten, den Erbschaftsteuerbescheid vom’29.6.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.4.2014 dahingehend zu ändern, dass die Erbschaftsteuer auf 40.050 EUR herabgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

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