Leitsatz

Im Hinblick auf die Regelungen des Art. 14 Abs. 1 GG ist der gesetzgeberische Spielraum dort überschritten, wo durch die Steuerpflicht eine übermäßige Belastung des Erwerbers eintritt und die erworbenen Vermögenswerte grundlegend beeinträchtigt werden. Entscheidend ist, dass ein wirtschaftlich denkender Erblasser die Vererbung seines Vermögens aufgrund der Steuerbelastung nicht als wirtschaftlich sinnfrei betrachtet.

Die Erbschaftsteuerbelastung bezieht sich dabei im Grundsatz auf den gesamten aufgrund der Erbschaft durch den jeweiligen Erben erworbenen Nachlass sowie die hierauf insgesamt bestehende Steuerlast.

Die Steuerbelasung aufgrund von Zinsansprüchen kann nur bei dem seltenen Ausnahmefall der separaten Vererbung von Zinserträgen eine Ausnahme spielen. Diese Fälle sind jedoch so selten, dass der Gesetzgeber auf eine gesonderte Regelung dieses Falles im Rahmen seiner Typisierungsbefugnis verzichten darf.

Dem Gesetzgeber ist durch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ein erheblicher Entscheidungsspielraum hinsichtlich Auswahl des Steuergegenstands und Bestimmung des konkreten Steuersatzes eingeräumt. Dort, wo der Gesetzgeber jedoch einmal eine Belastungsentscheidung durch die Wahl des Steuergegenstands getroffen hat, kann er nur in den Fällen eines besonderen sachlichen Grundes, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen, von dieser Entscheidung abweichen.

BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 7. April 2015 – 1 BvR 1432/10

Sachverhalt

I. Der Beschwerdeführer wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen die Nichtberücksichtigung einer dem Erbfall nachfolgenden Einkommensteuerbelastung für Zinserträge bei der Heranziehung zur Erbschaftsteuer.

1. Der Beschwerdeführer ist Alleinerbe seines im Jahr 2001 verstorbenen Bruders. Der erbschaftsteuerliche Gesamtwert des Nachlasses aus Grund- und Kapitalvermögen belief sich auf rund 15 Mio. DM. Unter Anwendung des damals maßgeblichen Erbschaftsteuersatzes von 32 % setzte das Finanzamt eine Erbschaftsteuer in Höhe von rund 4,8 Mio. DM fest. Zum Nachlass gehörten neben Wertpapieren mit einem Kurswert von ca. 12 Mio. DM auch bereits aufgelaufene, aber erst im Jahr 2002 fällige Zinsansprüche in Höhe von rund 190.000 DM. Einkommensteuer fiel auf die Zinsansprüche im Jahr 2001 mangels Zuflusses nicht an (§ 11 EStG). Für das Jahr 2002 wurde bei dem Beschwerdeführer Einkommensteuer auf Kapitalerträge von insgesamt rund 260.000 EUR festgesetzt, wobei auf die bis zum Erbfall aufgelaufenen Zinsansprüche in Höhe von rund 190.000 DM anteilig Einkommensteuer in Höhe von rund 50.000 EUR entfiel. Die Zinsansprüche wurden vom Finanzamt bei der Bestimmung des erbschaftsteuerlichen Gesamtwerts des Nachlasses mit ihrem Nennwert berücksichtigt. Die auf den Zinsansprüchen ruhende Belastung mit sogenannter latenter Einkommensteuer fand keine Berücksichtigung.

Hiergegen wendete sich der Beschwerdeführer zunächst im Einspruchsverfahren und später auf dem Rechtsweg. Seinem Begehren, die Erbschaftsteuer wegen der auf den Zinsansprüchen ruhenden Einkommensteuer um rund 16.000 EUR herabzusetzen, blieb aber vor dem Finanzgericht München (Urteil vom 18.2.2009 – 4 K 1131/07 –, DStRE 2010, S. 479) und vor dem Bundesfinanzhof (BFHE 229, 363) der Erfolg versagt.

2. Mit seiner gegen den Erbschaftsteuerbescheid, die Einspruchsentscheidung und die gerichtlichen Entscheidungen gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.

3. Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Bundesministerium der Finanzen für die Bundesregierung sowie der Bundesfinanzhof, die Bundesrechtsanwaltskammer, die Bundessteuerberaterkammer und der Deutsche Anwaltverein Stellung genommen. Allein der Deutsche Anwaltverein hielt die angegriffenen Entscheidungen für verfassungswidrig. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.

Gründe

II. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ihr kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.

1. Die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG wird durch die hier erfolgte Kumulation von Einkommen- und Erbschaftsteuer zulasten des Beschwerdeführers nicht verletzt.

a) Die Erhebung der Erbschaftsteuer, die den durch den Erbfall beim Erben anfallenden Vermögenszuwachs und die dadurch vermittelte finanzielle Leistungsfähigkeit belastet, verstößt als solche nicht gegen die verfassungsrechtliche Garantie des Erbrechts (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG; vgl. Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 GG; BVerfGE 93, 165 <172>). Der Spielraum für den steuerlichen Zugriff auf den Erwerb von Todes wegen findet allerdings seine Grenze dort, wo die Steuerpflicht den Erwerber übermäßig belastet und die ihm zugewachsenen Vermögenswerte grundlegend beeinträchtigt (vgl. BVerfGE 63, 312 <327>; 93, 165 <172>). Die Steuerbelastung darf das Vererben vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Eig...

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