Leitsatz

Beim rechtsgeschäftlichen Erwerb des Erbanteils durch den präsumtiven Erben geht das Vorkaufsrecht nicht mit über (BGH NJW 1983, 1555). Ist jedoch der Kläger nicht nur präsumtiver Erbe , sondern auch tatsächlicher Erbe, kann es keine Rolle spielen, ob der Kläger aufgrund Gesetzes oder aufgrund Verfügung von Todes wegen zum Erben berufen ist. Durch die Vereinigung in der Person des Erbeserben ist die gleiche Folge eingetreten wie bei der Vererblichkeit des Vorkaufsrechts.

OLG München, Urteil vom 5. Juli 2010 – 21 U 1843/10

Sachverhalt

Die Parteien streiten, ob dem Kläger gegen den Beklagten Auskunftsansprüche über notarielle Erbschaftskaufverträge zustehen. (...) am 23.10. Bund 2009 ist K. R., die Mutter von P. R., die ihren Erbanteil nach dem verstorbenen P. R. auf den Kläger übertragen hatte, nachverstorben. Sie wurde aufgrund Erbvertrags vom 6.7.2004 vom Kläger allein beerbt.

Aus den Gründen

Die gemäß den §§ 511 ff ZPO zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Vorkaufsrecht gemäß § 2035 BGB zu und somit auch ein Auskunftsanspruch gemäß § 469 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Kläger ist mit dem Erwerb der Erbanteile gemäß § 2033 Abs. 1 BGB durch die rechtsgeschäftlichen Übertragungen der Erbanteile von K. R. und M. S. formell keinen Miterbe im Sinne von § 2034 BGB geworden.

(...) Grundsätzlich bleibt der seinen Erbteil veräußernden Miterbe trotz der Verfügung über seinen Anteil gemäß § 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB "formell" Miterbe. Diese Position als Miterbe ist und bleibt untrennbar mit seiner Person verknüpft. Der Anteilserwerber tritt danach zwar an Stelle des Veräußerers in die Gesamterbengemeinschaft ein, er erlangt jedoch nicht völlig dessen Rechtsstellung als Miterbe. Erbe kann nämlich nur werden, wer kraft Todesfall aufgrund eines vom Gesetz anerkannten familienrechtlichen Verhältnisses oder durch letztwillige Verfügung als Rechtsnachfolger des Erblassers berufen ist (BGH NJW 1971, 1264,1265 mwN).

Mit der wirksamen Übertragung der Miterbenanteile von Frau K. R. hat der Kläger von dieser auch nicht das Vorkaufsrecht gemäß § 2034 Abs. 1 BGB erworben. Andererseits kann die ihren Erbanteil übertragenden Miterbin ihr Vorkaufsrecht entsprechend dem Sinn und Zweck des Vorkaufsrechts, das Eindringen Dritter in die Gesamthandsgemeinschaft zu verhindern (BGH NJW 1983,1556), nicht mehr ausüben. Das Vorkaufsrecht soll nämlich den Miterben die Möglichkeit geben, das Eindringen unerwünschter Dritter und eine Überfremdung der Erbengemeinschaft sowie eine Veränderung der quotenmäßigen Beteiligung zu verhindern, um insbesondere auch den Fortbestand oder die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nicht vom Willen eines Nichterben abhängig zu machen (BGH, Urteil vom 9.2.1983, NJW 1983, 1556). Hierauf beruht letztlich die von der Rechtsprechung und im Schrifttum fast einhellig vertretene Auffassung, dass das nur den Miterben gegebene Vorkaufsrecht mit der Veräußerung eines Erbteils nicht auf den Erwerber übergeht (Kipp-Coing, Erbrecht, 14. Aufl., § 115 Abs. 1; Lange, Erbrecht, § 44 III 2 b).

Mit dem Tod von Frau K. R. am 23.10.2009 hat sich die von K. R. noch innegehabte formelle Miterbenstellung mit dem Erbanteil nach P. R. wieder in einer Person, nämlich der des Klägers, vereinigt, sodass das durch die vorherige Übertragung des Erbanteils auf den Kläger entkleidete Miterbenrecht wieder zum Vollrecht erstarkt ist. Der Kläger ist Erbeserbe nach P. R. geworden. Da zu diesem Zeitpunkt die zweimonatige Vorkaufsfrist des § 2034 Abs. 2 Satz 1 BGB noch nicht in Lauf gesetzt und damit – mangels Auskunft – bis heute noch nicht abgelaufen ist, kann der Kläger, da er nun anstatt K. R. Mitglied der Erbengemeinschaft nach P. R. geworden ist, diese Auskunft verlangen.

Die andere mögliche formale Betrachtungsweise, dass ein Miterbe, der schon vorher seinen Erbanteil auf einen anderen übertragen hat und dem deshalb kein Vorkaufsrecht mehr zusteht, dieses – grundsätzlich vererbliche – Recht nicht mehr vererben kann, wird nach Überzeugung des Senats dem Sinn und Zweck des Vorkaufsrechts nicht gerecht. Wenn der Gesetzgeber die Vererblichkeit des Vorkaufsrechts statuiert, lässt er damit eine Ausnahme vom Grundsatz der Nichtübertragbarkeit des Vorkaufsrechts zu. Zwar ist bereits entschieden, dass beim rechtsgeschäftlichen Erwerb des Erbanteils durch den präsumtiven Erben das Vorkaufsrecht nicht mit übergeht (BGH NJW 1983, 1555). Im konkreten Fall ist jedoch der Kläger nicht nur präsumtiver Erbe der Miterbin K. R., sondern aufgrund ihres Versterbens am 23.10.2009 unbestritten deren tatsächliche Erbe. Dabei kann es keine Rolle spielen, ob der Kläger aufgrund Gesetzes oder aufgrund Verfügung von Todes wegen zum Erben berufen ist. Durch die Vereinigung in der Person des Erbeserben ist die gleiche Folge eingetreten wie bei der Vererblichkeit des Vorkaufsrechts. (...)

Die Revision war zuzulassen, da die Frage bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden ist und eine Klärung zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Ein...

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