Die Klage ist unbegründet.

Zu Recht hat der Beklagte mit Bescheid vom 1.4.2019 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 20.2.2020 die Änderung der Erbschaftsteuerfestsetzung vom 28.10.2015 abgelehnt, § 101 S. 1 FGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Änderung des Steuerbescheids, weil die geltend gemachten Kosten nicht als Nachlassverbindlichkeiten, insbesondere nicht als Kosten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG, abzugsfähig sind.

Als -hier nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG- steuerpflichtiger Erwerb gilt gem. § 10 Abs. 1 S. 1 ErbStG die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist. In den Fällen des § 3 ErbStG gilt unbeschadet § 10 Abs. 10 ErbStG als Bereicherung der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalls, soweit er der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegt, die nach § 10 Abs. 3-9 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten mit ihrem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert abgezogen werden. Dazu zählen u.a. nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG die sog. sonstigen Nachlassverbindlichkeiten.

Nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG sind die Kosten abzugsfähig, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Kosten für die Verwaltung des Nachlasses sind nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 3 ErbStG nicht abzugsfähig.

Der Begriff "Kosten der Regelung des Nachlasses" ist weit auszulegen. Er umfasst die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses einschließlich von Bewertungskosten, aber auch alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen (BFH, Urt. v. 11.1.1961 – II 155/59 U, BStBl III 1961, 102; BFH, Urt. v. 19.6.2013 – II R 20/12, BStBl II 2013, 738, und BFH, Urt. v. 6.11.2019 – II R 29/16, BStBl II 2020, 505, jeweils m.w.N.). Zu den Nachlassregelungskosten können danach auch Kosten zählen, die dem Erben durch die gerichtliche Geltendmachung von (vermeintlichen) zum Nachlass gehörenden Ansprüchen des Erblassers entstehen (BFH, Urt. v. 6.11.2019 – II R 6/17, BStBl II 2020, 509).

Wie der in § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG verwendete Begriff "unmittelbar" zeigt, müssen die Kosten in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen stehen und dürfen nicht erst durch die spätere Verwaltung des Nachlasses (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 3 ErbStG) anfallen (BFH, Urt. v. 14.10.2020 – II R 30/19, BStBl II 2022, 216, m.w.N.). Die Abgrenzung zwischen Kosten der Nachlassregelung und Kosten der Nachlassverwaltung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (BFH, Urt. v. 6.11.2019 – II R 6/17, BStBl II 2020, 509; BFH, Urt. v. 14.10.2020 – II R 30/19, BStBl II 2022, 216).

Bei Verfahrenskosten ist auf die Frage abzustellen, ob Ungewissheit über den Umfang des Nachlasses besteht. Macht der Erbe gerichtlich wirkliche oder vermeintliche zum Nachlass gehörende Ansprüche geltend, so liegen Nachlassregelungskosten vor, wenn die Klage eines Erben dazu dient, das Bestehen nachlasszugehöriger Ansprüche des Erblassers und damit den Umfang des Nachlasses zu klären oder die Herausgabe von Nachlassgegenständen durch Dritte zu erwirken. Herrscht hingegen Gewissheit über Umfang und Zusammensetzung des Nachlasses und hat der Erbe die Nachlassgegenstände in Besitz genommen, endet der sachliche Zusammenhang mit dem Erwerb. Kosten, die dem Erben in der Folgezeit zum Zwecke der Erhaltung, Mehrung, Nutzung oder Verwertung des Nachlassvermögens entstehen, sind keine Nachlassverbindlichkeiten (BFH, Urt. v. 14.10.2020 – II R 30/19, BStBl II 2022, 216). Für den sachlichen Zusammenhang von Rechtsverfolgungskosten mit dem Erwerb ist es unerheblich, ob und in welchem Umfang diese Kosten letztlich erfolgreich zu einer Durchsetzung der geltend gemachten Ansprüche führen (vgl. BFH, Urt. v. 6.11.2019 – II R 29/16, BStBl II 2020, 505, zu vergeblich aufgewendeten Kosten eines Rechtsstreits wegen Herausgabe einer Porzellansammlung an die klagende Alleinerbin).

Ein enger zeitlicher Zusammenhang von Prozesskosten mit dem Erwerb ist gegeben, wenn die Klage unverzüglich nach dem Erbfall, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (entsprechend § 121 Abs. 1 S. 1 BGB), erhoben wurde (vgl. Königer, ZEV 2017, 352 unter 6.). Unverzügliches Handeln ist anzunehmen, wenn die Klage innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmenden angemessenen Prüfungs- und Vorbereitungszeit erhoben wird. Je größer der zeitliche Abstand zwischen dem Erbfall und dem Prozessbeginn ist, desto höhere Anforderungen sind an die Darlegung und Glaubhaftmachung der Gründe für die Verzögerung und eines fehlenden Verschuldens des Klägers zu stellen (BFH, Urt. v. 6.11.2019 – II R 6/17, BStBl II 2020, 509).

Bei Anwendung dieser Maßstäbe auf den Streitfall ist jedenfalls der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten und dem Erwerb ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge