Das Kammergericht hat aber erneut die (alte) Frage[6] aufgeworfen, ob sich § 1922 BGB auch auf Vererblichkeit von Rechtspositionen mit höchstpersönlichen Inhalten bezieht.

Es hält zwar die in DAV-Stellungnahme Nr. 34/2013 (Seite 52 ff) begründete Auffassung für "zunächst überzeugend". Hier hatte ich i.R.d. Stellungnahme vertreten, dass bei der Universalsukzession nicht zwischen vermögenswerten und höchstpersönlichen Inhalten zu unterscheiden ist, sondern dass sämtliche vererbbaren Rechtspositionen iSd weiten Vermögensbegriffs, der iRv § 1922 BGB gilt, der Gesamtrechtsnachfolge zu unterwerfen sind. Das KG führt andererseits "Bedenken" gegen diese Auffassung an, die sich ohne jedes Zitat auf eine angeblich hM in der Literatur beziehen.[7]

Diese gründen darin, dass die Angehörigen – obwohl Wahrnehmungsberechtigte des postmortalen Persönlichkeitsrechts – keinen Anspruch auf Zugang zu solchen Daten hätten, sondern zur Geltendmachung entsprechender Wahrnehmungsrechte allein vom gegen das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers verstoßenden Umgang mit solchen Daten erfahren müssten. Wenn aber noch nicht einmal die nächsten Angehörigen als Wahrnehmungsberechtigte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen entsprechenden Anspruch auf Zugang hätten, so sei fraglich, ob man den Erben einen solchen Zugang zu Daten, die nach dem Tod des Erblassers eigentlich niemandem zuständen, zugestehen müsse bzw. dürfe.

Diese Ausführungen lassen ein Un- oder zumindest Missverständnis in Bezug auf die Rechtsprechung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht und den postmortalen Rechten von Angehörigen und Erben hieran erkennen:

[6] Siehe hierzu Hoeren, NJW 2005, 2113.
[7] Kritisch auch Litzenburger, FD-ErbR 2017, 392155.

a) Rechtsnachfolger sind nur die Erben, nicht die nächsten Angehörigen

Die vom Kammergericht aufgeworfene Frage, warum den Erben Rechtspositionen zustehen sollten, den Angehörigen aber nicht, lässt sich leicht beantworten: Die Ursache liegt darin begründet, dass die nächsten Angehörigen allein subsidiär – sprich: mangels vom Erblasser bestimmter und damit mangels anderer in Betracht kommender Personen – bloße Abwehrrechte (!) im Fall einer Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers für diesen treuhänderisch wahrnehmen. Rechte des Erblassers gehen hingegen nicht auf diese über. Es gibt keine dem § 1922 BGB vergleichbare Regelung, nach der irgendwelche Rechtspositionen des Erblassers zu Rechtspositionen seiner nächsten Angehörigen werden.[8]

[8] Siehe ausführlich DAV-Stellungnahme/Herzog, Nr. 34/2013, S. 32, 49, 50; Herzog, NJW 2013, 3750 – die dortigen Klarstellungen zu den Rechten der nächsten Angehörigen als Wahrnehmungsberechtigte lässt das Gericht völlig außen vor und stellt unreflektiert die von Hoeren in NJW 2005, 2113 begründete Auffassung als unwidersprochen dar.

b) Wertung der §§ 2047 Abs. 2, 2373 S. 2 BGB

aa) Aus dem Urteil

Das Kammergericht führt weiter aus, die "§ 2047 Abs. 2 bzw. § 2373 S. 2 BGB (enthielten jedenfalls) keine Regelung über die Vererbbarkeit nicht vermögensrechtlicher, d. h. höchst- persönlicher Rechtspositionen", da beide Vorschriften einen "stattgefundenen Erbgang aufgrund der dinglichen Verkörperung der höchstpersönlichen Inhalte" voraussetzten. Auch diese Aussagen gehen auf das falsche Verständnis zurück, dass höchstpersönliche Inhalte "nach der Konzeption des § 1922 BGB und der Annahme eines postmortalen Persönlichkeitsrechts eigentlich nicht den Erben, sondern allenfalls den Angehörigen als Hüter dieses postmortalen Persönlichkeitsrechts treuhänderisch" zustehen sowie darauf zurück, dass (unzulässigerweise) zwischen auf dem Eigentum verkörperten und sonstigen Inhalten zu differenzieren sei.

Auch die Vertreter von Facebook hatten argumentiert, es sei zwischen Daten, die auf einem körperlichen Gegenstand, und solchen, die ausschließlich auf den Servern eines Providers gespeichert sind, zu unterscheiden. Auch wenn in ersterem Fall das Eigentum und im zweiten Fall der schuldrechtliche Vertrag zwischen Provider und Erblasser nach § 1922 BGB auf die Erben überging, sei zwischen dem vermögensrechtlichen und dem nicht-vermögensrechtlichen Teil des (digitalen) Nachlasses zu unterscheiden; denn soweit höchstpersönliche Inhalte nicht auf einem körperlichen Gegenstand gespeichert seien, der im Eigentum des Erblassers gestanden habe, bedürfe es für die Vererbbarkeit einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung wie etwa der in § 28 Abs. 1 UrhG.

bb) Widerlegung der zugrunde liegenden Prämissen

Diese Überlegungen sind schon deshalb unhaltbar, weil die ihnen zugrunde liegende Prämisse falsch ist: Es handelt sich gerade nicht um einen tragenden Gedanken des deutschen Erbrechts, dass ausschließlich vermögensrechtliche Positionen vererbt werden.

Der Begriff des Vermögens iSd § 1922 BGB ist in einem möglichst umfassenden, weiten Sinne zu verstehen; gemeint sind alle vererbbaren Rechtspositionen.[9] Dabei stellt die Vererblichkeit den Grundsatz dar. Nicht diese, sondern die Ausnahme, sprich die Unvererblichkeit des Rechts, muss dargelegt und bewiesen werden. Sie führt zum Untergang des Rechts und keineswegs zum Übergang des Rechts auf die nächsten Angehörigen (DAV-Stellungn...

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