Sowohl einige Stimmen in der Literatur[61] als auch das LG Berlin[62] vertreten die Ansicht, dass die Regelung des § 88 Abs. 3 TKG deswegen nicht eingreife, weil die Zugangsverschaffung zugunsten der Erben als "für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste erforderlich" im Sinne des § 88 Abs. 3 TKG anzusehen sei. Begründet wird dies überwiegend damit, dass der Provider den Erben gegenüber aufgrund des nach § 1922 BGB auf diese übergegangenen Rechtsverhältnisses zur Zugangsverschaffung verpflichtet sei.[63] Dies vermag vor dem Hintergrund der Intention dieser gesetzlich vorgesehenen Ausnahme nicht zu überzeugen: Dem Telekommunikationsdienstleister soll damit die Möglichkeit verschafft werden, ausnahmsweise auf die Daten des Dienstleistungsnehmers zugreifen zu können, wenn dies für die ordnungsgemäße Erbringung seiner Dienstleistung notwendig sein sollte. Damit sind insbesondere die in den §§ 91 ff TKG geregelten Fälle gemeint, welche zunächst einmal die Grenze dafür darstellen, was datenschutzrechtlich gestattet ist.[64] Die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Pflichten gegenüber dem Vertragspartner des Telekommunikationsdienstleisters als solche ist davon indes nicht erfasst.[65] Einer solchen Konstruktion bedarf es im Ergebnis auch nicht, da der Erbe, wie vorstehend dargelegt, als Vertragspartner des Telekommunikationsdienstleisters schon kein "anderer" im Sinne des § 88 Abs. 3 TKG ist.

Das KG verkennt nicht nur dies, sondern meint im Übrigen, dass die Ermöglichung des Zugangs für die Erben deswegen nicht als "erforderlich für die Erbringung der Dienste" des Telekommunikationsanbieters im Sinne des § 88 Abs. 3 TKG anzusehen sei, da im konkreten Fall die von Facebook versprochene Dienstleistung in der Zeit der Nutzung durch die Erblasserin nicht vorgesehen habe, dass andere Personen als die Erblasserin die Dienstleistung in Anspruch nehmen könnten.[66] Dies vermag nicht zu überzeugen: Das KG unterstellt damit faktisch, dass es auf die einzelvertraglichen Regelungen der Telekommunikationsanbieter ankommen soll, ob den Erben gegenüber § 88 Abs. 3 TKG letztlich entgegensteht oder nicht. Damit könnten die einzelnen Telekommunikationsanbieter durch entsprechende Ausgestaltung ihrer Geschäftsbedingungen über die Anwendbarkeit des § 88 Abs. 3 TKG disponieren, was freilich nicht überzeugen kann.[67]

[61] Pruns, NWB 2014, 2175, 2178.
[62] LG Berlin, DNotZ 2016, 537.
[63] LG Berlin, DNotZ 2016, 537, 542; vgl. nur Pruns, NWB 2014, 2175, 2178; Steiner/Holzer, ZEV 2015, 264; Ludyga, JM 2016, 442, 447; ferner wird teilweise darauf verwiesen, dass das Datenschutzrecht im Wege der praktischen Konkordanz hinter das Erbrecht zurücktreten müsse.
[64] Bock, in: BeckTKG, 4. Aufl. 2013, § 88 Rn 26; prägnant: Kuntz, JM 2016, 190, 191; Mayen/Zuck, DAV-Stellungnahme, S. 81.
[65] In diesem Sinne auch Kuntz, JM 2016, 190, 191.
[66] KG, BeckRS 2017, 111509, Rn 80.
[67] So auch Litzenburger, FD-ErbR 2017, 392155.

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