Ausgehend von der bisherigen (unzureichenden) Datenlage sowie den beschriebenen Einschränkungen bietet sich die Videoverhandlung für erbrechtliche Fälle mit ihren oftmals interfamilären Konflikten nur bedingt an. Wenn eine gütliche Einigung denkbar ist, dürfte regelmäßig die Präsenzverhandlung zu besseren Ergebnissen führen. Gleichwohl eröffnet die neue Technik in stark konfliktgeladenen Situationen die Möglichkeit einer ersten Annäherung. So müssen die Parteien nicht im selben Raum sein und sind es gleichwohl.

Aus anwaltlicher Vorsicht ist es derzeit ratsam darauf zu drängen, dass die Anhörung der eigenen Partei im Gerichtssaal vorgenommen wird, damit eine umfassende ganzheitliche Darstellung frei von technischen Störungen ermöglicht wird.

Bei Terminen, die schriftsätzlich umfassend vorbereitet sind, kann hingegen online verhandelt werden. Es mag sich hier anbieten, dass sich die Prozessvertreter im Vorfeld abstimmen, um dem Gericht durch eine einvernehmliche Anregung des Formats aufzuzeigen, dass diese Verfahrensweise sinnvoll und erfolgsversprechend ist.

Für die Vernehmung von Personen, an deren Unabhängigkeit und Neutralität im Verfahren keine Zweifel bestehen (denkbar wären hier etwa Gutachter, Notare, Ärzte), kann eine Vernehmung per Video angeregt werden. Dies spart Zeit und Aufwand. Aus taktischen Gründen mag davon allerdings Abstand genommen werden, wenn eine besonders kritische Befragung beabsichtigt ist, da diese in der Videoverhandlung nur eingeschränkt möglich ist.

Jedenfalls sollte die eigene Position zur Wahrung der prozessualen Rechte der Mandantschaft aktenkundig gemacht werden, um im Rahmen eines etwaigen Rechtsmittels Folgen der Ablehnung oder Durchführung – z.B. nur eingeschränkte Möglichkeit der Zeugenbefragung wegen technischen Aussetzern oder fehlende Teilnahmemöglichkeit des betagten Mandanten an der weit entfernten Verhandlung – effektiv vorbringen zu können. Die Aufnahme einer Rüge ins Protokoll bzw. zumindest die Aufnahme der Ablehnung derselben, § 160 Abs. 4 ZPO, kann im Einzelfall geboten sein.

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