Handelt der Bevollmächtigte demnach nicht nur in seiner Eigenschaft als Vertreter desoder der Erben des im Grundbuch noch eingetragenen Erblassers, sondern zugleich auch in seiner Eigenschaft als Alleinerbe, so wird die Legitimationswirkung der transmortalen Vollmacht mit der Folge zerstört, dass es zum Nachweis der Verfügungsbefugnis der Vorlage eines Erbennachweis im Sinne des § 35 GBO bedarf. Handelt der Urkundsbeteiligte hingegen ausschließlich in seiner Eigenschaft als Bevollmächtigter, so durchbricht seine Stellung als potentieller Alleinerbe die von der Vollmacht ausgehende Legitimationswirkung auch dann nicht, wenn das Grundbuchamt von dem eigenhändigen Testament Kenntnis hat.[15] Dies bedeutet, dass die (nachträgliche) Vorlage eines Erbnachweises im Sinne des § 35 Abs. 1 GBO dazu führt, dass eine aus der dem Grundbuchamt vorgelegten Vollmacht hergeleitete Verfügungsbefugnis nicht mehr nachgewiesen ist, sobald der Erbnachweis den Handelnden als Alleinerben des Vollmachtgebers ausweist. Das Gericht geht somit davon aus, dass spätestens mit der Vorlage eines Erbnachweises im Sinne des § 35 Abs. 1 GBO die Vollmachtsurkunde ihre Wirkung als Rechtsscheinsträger verliert.[16]

Diese Rechtsprechung hat selbstredend erhebliche Folgen für die Praxis. Unweigerlich muss für die notarielle Praxis somit erfasst werden, welche Tatsachen dem Grundbuchamt bereits zur Kenntnis gereicht wurden. Liegt zum Zeitpunkt der Beurkundung noch kein Erbnachweis im Sinne des § 35 Abs. 1 GBO vor, sondern nur eine transmortale Vollmacht, so kommt unter Zugrundelegung der bereits dargelegten Rechtsprechung ausschließlich ein Handeln des Übertragenden in seiner Eigenschaft als Bevollmächtigter infrage. Gelangt dem Grundbuchamt in diesem Fall jedoch vor Vollzug ein Erbnachweis zur Kenntnis, der den handelnden als Alleinerben des Vollmachtgebers ausweist, so könnte das Grundbuchamt nach der neuerlichen Entscheidung des OLG München den Vollzugsantrag zurückweisen, da die Legitimationswirkung der Vollmacht weggefallen sei.[17]

In der Literatur hat es zu Recht Kritik für die Auffassung des OLG München gegeben. Die Konsequenzen der Rechtsprechung führten zu erheblichen Bedenken. Das Schicksal des bevollmächtigten Erben darf nicht von dem bloßen, wenn auch versehentlichen Hinweis auf seine Alleinerbenstellung abhängen – frei nach der Tugend "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold".[18] Dies würde in der Praxis zu erheblichen Unsicherheiten und zufälligen Ergebnissen führen. Berücksichtigt man noch die Tatsache, dass ein Erbschein nicht in materielle Rechtskraft erwächst und infolgedessen unrichtig sein kann, überzeugt die Auffassung des OLG München nicht. Gerade in Hinblick auf die Legitimationswirkung der Vollmacht kann es keinen Unterschied machen, ob der handelnde ein potentieller Alleinerbe ist, oder, ob es sich im Sinne des § 35 Abs. 1 GBO um einen ausgewiesenen Alleinerben handelt. Handelt der Bevollmächtigte in der Urkunde ausschließlich als Bevollmächtigter, so entfällt seine Legitimationswirkung aufgrund der Vollmacht nicht durch eine nachträgliche Vorlage eines Erbnachweises im Sinne des § 35 Abs. 1 GBO beim Grundbuchamt.[19]

[15] OLG München, Urt. v. 31.8.2016 – 34 Wx 273/16, NJW 2016, 3381 ff.; lesenswert zudem die Anmerkungen von Ott, notar 2017, 136 u. notar 2019, 135, 136.
[16] OLG München, Urt. v. 4.1.2017 – 34 Wx 382/16, 34 Wx 383/16, ErbR 2017, 207 ff.
[17] Ott, notar 2019, 135, 137.
[18] So auch die Kritik von Wendt, ErbR 2017 19, 23.
[19] Vgl. hierzu die Ausführungen von Ott, notar 2019, 135, 138 sowie von Bayer, ZfPW 2020, 385, 398.

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