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In einer Zeit, in der Digitalisierung mit fortschreitendem Tempo unser Leben verändert, hat auch das Recht nicht stillgestanden. Die Frage dreht sich längst nicht mehr um das "Ob", sondern vielmehr um das "Wie" dieser Veränderungen. Legal Tech – verstanden als IT-basierte Optimierung rechtlicher Tätigkeitsbereiche[2] – ist schon lange kein Wunschdenken mehr. Diese neuen Technologien haben das Potenzial, die Art und Weise, wie Menschen Zugang zu Rechtsberatung und -dienstleistungen erhalten, zu revolutionieren und den Rechtsmarkt der Zukunft zu gestalten.[3]

[2] Zu den verschiedenen Definitionswegen siehe Brechmann, Legal Tech und das Anwaltsmonopol, S. 34; Quarch/Ebers/Gertz, LTZ 2022, 2; Plottek/Quarch, NZV 2020, 401 ff.
[3] Wagner, Legal Tech und Legal Robots – Der Wandel im Rechtswesen durch neue Technologien und Künstliche Intelligenz, S. 1 ff.; Susskind, in: "The End of Lawyers".

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Doch wie wirkt sich Legal Tech aus Verbrauchersicht im Vorsorgerecht aus und wie entwickelt es sich in diesem Bereich weiter?

I. Einführung

Verbraucher stehen heute vor einer Vielzahl von Herausforderungen, wenn es darum geht, ihre rechtlichen Angelegenheiten zu regeln. Oft fehlt ihnen die Fachkenntnis, um sich eigenständig mit der Komplexität rechtlicher Fragen auseinandersetzen zu können, die Inanspruchnahme rechtlicher Dienstleistungen kann kostspielig sein. Insbesondere im Bereich der rechtlichen Vorsorge kann man mit gewisser Sicherheit eine fundamentale Veränderung des Produktportfolio unter Zuhilfenahme von Legal Tech sowohl für Verbraucher als auch für Anwälte und Notare prognostizieren. Während einige Stimmen die Digitalisierung als Chance sehen, bei einer Senkung der Kosten die Effizienz rechtlicher Assistenz im Vorsorgerecht zu erhöhen und den Zugang zu dieser zu erleichtern,[4] fürchten andere, dass sie den Bedarf an der klassischen menschlichen Rechtsdienstleistung verringern und den Anforderungen an die Qualität und die Datensicherheit nicht gerecht werden könnten.[5]

Legal Tech ist im Vorsorgerecht, ebenso wie in anderen Rechtsbereichen, noch immer ein vergleichsweise neues Konzept, dessen Auswirkungen auf Verbraucher sowie die traditionelle Rechtsberatung durch Anwälte und Notare[6] sich in stetigem Wandel befinden. Dieser Artikel widmet sich dem aktuellen Stand von Legal Tech im Vorsorgerecht, betrachtet die Chancen nebst den Herausforderungen und diskutiert die Zukunftsperspektiven.

[4] Timmermann, Legal Tech Anwendungen, S. 36 f.
[5] Heumer, Legal Tech und das Rechtsdienstleistungsgesetz, S. 39; Hornung, Herausforderungen durch Legal Tech für die Anwaltschaft, S. 149.
[6] Für das Notariat vgl. die Analyse von Plottek/Reich, notar 2023, 79 ff.

II. Einführung/Legal Tech im Überblick

Der in der anwaltlichen Beratung herrschende Zeitgeist hat sich im "Digitalen Zeitalter" verändert. Anfangs waren es Diktiergeräte, die das gesprochene Wort mittels Spracherkennung in Schriftdokumente umwandeln, oder umfangreiche Softwarelösungen für die kanzleiinterne Kommunikation, neuerdings ist eine Automatisierung ganzer Arbeitszweige denkbar – die Digitalisierung prägt den Alltag in der Rechtsberatung wie auch die sonstigen Branchen der Wirtschaft im 21. Jahrhundert.

Das lässt sich nicht zuletzt an wirtschaftlichen Parametern feststellen: Die Legal Tech Branche insgesamt wächst seit einigen Jahren ungemein. Die Anzahl der Start-Ups wie Smartlaw, RightNow, Flightright, Advocado, YourExpert, die sich auf dem Markt der Rechtsdienstleistungen tummeln, ist mittlerweile unübersichtlich, da immer wieder neue Unternehmen auf den Markt drängen, ob erfolgreich oder nicht. Daneben streben kleinere wie größere Kanzleien nach der Entwicklung ihrer eigenen Legal-Tech-Produkte, um sich im Wettbewerb zu behaupten.[7]

Grund für das Wachstum ist wohl ein Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren. Einerseits tauchen regelmäßig neue rechtliche Fragen auf, beispielsweise durch Social Media oder Kryptowährungen, die in der anwaltlichen Praxis noch weitgehend unbekannt sind/waren.[8] Dadurch verändert und verjüngt sich die potenzielle Mandantschaft inklusive der Ansprüche und ihrer finanziellen Möglichkeiten. Auf diese Weise eröffnen sich Räume, die selbst das Portfolio größter, international agierender Wirtschaftskanzleien nicht abdeckt. Andererseits ist die technische Entwicklung rasant. Was mit der Automatisierung von standardisierten Arbeitsabläufen begann, entwickelt sich hin, zu auf Algorithmen basierenden, künstlichen Intelligenzen, welche in der Lage sind, immer komplexere Rechtsfragen ohne menschliches Zutun selbst zu lösen.[9] Der stellenweise aufkommende Frust über diese Entwicklungen ist in Teilen verständlich.[10] Man kann es dem, im Sinne des homo oeconomicus handelnden, potenziellen Mandanten, allerdings nicht zum Vorwurf machen, zu dem zugänglicheren Produkt auf dem Markt zu greifen.[11]

Dieses Phänomen bietet Platz für die meist junge, kreative und durchaus mutige Legal-Tech-Szene, ihre Ideen zu entwickeln. Die daraus resultierende Unverfrorenheit, mit der sich die Szene am Markt ausbreitet, ford...

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