II.

Die gem. §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist nach der vom Nachlassgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe gem. § 68 Abs. 1 S. 2, 2. Hs. FamFG dem Senat zur Entscheidung angefallen.

Dabei handelt es sich bei der Frage, ob die Beteiligte zu 1 nach Anfechtung ihrer Ausschlagung als gesetzliche Erbin in Betracht kommt, um eine Tatsache, die sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit ihrer Beschwerde von Bedeutung ist (doppelrelevante Tatsache). Daher werden die Tatsachen, für die Zuständigkeitsprüfung als gegeben unterstellt, so dass die schlüssige Behauptung für die Zulässigkeit der Beschwerde genügt.

In der Sache richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschl. v. 19.12.2019, mit dem das Nachlassgericht die zur Begründung des Erbscheinsantrages des Beteiligten zu 2 erforderlichen Tatsachen festgestellt hat.

Insoweit hat die Beschwerde Erfolg, denn der Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 2 ist nicht gerechtfertigt.

Der Beteiligte zu 2 hat die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn (als Sohn des Erblassers) und den Beteiligten zu 3 (als dessen Enkel) als gesetzliche Erben zu je ½ Anteil ausweist. Da sämtliche (vier) Kinder und (zwei) Enkel des Erblassers die Erbschaft – zunächst – ausgeschlagen haben, ist der beantragte Erbschein nur dann zu erteilen, wenn zum einen die Beteiligten zu 2 und 3 ihre Ausschlagungen wirksam angefochten haben und wenn zum anderen die übrigen vier gesetzlichen Erben ihre Ausschlagungen nicht wirksam angefochten haben.

H. und Si. scheiden als gesetzliche Erben ohne weiteres deshalb aus, weil sie ihre Ausschlagungen vom 8.12.2015 bzw. vom 16.12.2015 nicht angefochten haben.

Der Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 2 ist schon deshalb nicht begründet, weil weder er noch der Beteiligte zu 3 ihre Ausschlagungen der Erbschaft wirksam angefochten haben.

Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung (zuletzt FGPrax 2019, 273 = ErbR 2020, 46 m.N.) die folgenden Grundsätze zur Anfechtung von Erbausschlagungen wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft entwickelt:

Stützt sich die Anfechtung – wie hier – auf einen Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften einer Sache gemäß § 119 Abs. 2 BGB, ist als "Sache" im Sinne dieser Vorschrift die Erbschaft anzusehen, d.h. der dem Erben angefallene Nachlass oder Nachlassteil. Insoweit ist nahezu einhellig anerkannt, dass die Überschuldung der Erbschaft eine verkehrswesentliche Eigenschaft darstellt, die zur Anfechtung berechtigen kann, indes nur, wenn der Irrtum bezüglich der Überschuldung auf falschen Vorstellungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses, also bezüglich des Bestandes an Aktiva oder Passiva, beruht. Der Senat hat in der Vergangenheit den Standpunkt vertreten, hieraus folge zugleich, dass nicht zur Anfechtung berechtigt ist, wer ohne nähere Kenntnis der Zusammensetzung des Nachlasses einer Fehlvorstellung über dessen Größe unterlag; mit anderen Worten sich derjenige nicht auf einen Anfechtungsgrund berufen kann, der nicht aufgrund einer Bewertung ihm bekannter oder zugänglicher Fakten zu dem Ergebnis gelangt war, die Erbschaft wolle er annehmen oder ausschlagen, sondern seine Entscheidung auf spekulativer – bewusst ungesicherter – Grundlage getroffen hatte.

Wer bewusst bestimmte Umstände als lediglich möglich betrachtet und dieses Vorstellungsbild handlungsleitend sein lässt, der verhält sich aufgrund Hoffnungen oder Befürchtungen, die das Motiv seines Handelns bilden. Ein bloßer Irrtum im Motiv berechtigt jedoch weder im allgemeinen, noch speziell im Zusammenhang der Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft zur Anfechtung. Dies findet allgemein seine Rechtfertigung im Gesichtspunkt der Rechtssicherheit; im besagten erbrechtlichen Zusammenhang ist zudem der Gefahr zu begegnen, durch eine zu großzügige Berücksichtigung reiner Motivirrtümer faktisch eine im Gesetz nicht vorgesehene weitere Form der Haftungsbeschränkung eines Erben zu schaffen, nämlich eine sozusagen einstweilige Ausschlagung bis zur abschließenden Klärung der Vermögensverhältnisse (entwickeln sich die Erkenntnisse negativ, belässt der Erbprätendent es bei der erklärten Ausschlagung, entwickeln sie sich günstig, ficht er seine Ausschlagung an).

An diesen Grundsätzen hält der Senat nach Prüfung fest.

Danach fehlt es schon an wirksamer Anfechtung der Ausschlagungen der Beteiligten zu 2 und 3. Beide haben für ihre Ausschlagungen keine Gründe angegeben. Ihre Anfechtungserklärungen haben beide darauf gestützt, sie seien irrtümlich davon ausgegangen, dass der Nachlass überschuldet gewesen sei. Damit befanden sie sich allenfalls in einem bloßen und unbeachtlichen Motivirrtum und nicht in einem Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft, denn sie handelten ohne Kenntnis der Zusammensetzung des Nachlasses und ohne Bewertung ihnen etwa bekannter oder zugänglicher Fakten, sondern auf spekulativer – bewusst ungesicherter – Grundlage.

Bereits aus diesem Grund kann der Erbscheinsantrag des Beteiligten ...

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