I.

Der Erblasser errichtete am 23.7.1987 vor einem staatlichen Notariat zusammen mit seiner Ehefrau H.M. ein gemeinschaftliches Testament. Darin setzten sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben ein. Nach dem Ableben des Längstlebenden sollte der Antragsteller Eigentümer ihres Hausgrundstückes in B., das sie im Jahr 1973 für 4.360 Mark/DDR erworben hatten, werden. Genauere Festlegungen darüber und über die Verteilung des übrigen Eigentums (Hausrat, Sparguthaben, Schmuck usw.) sollte der Längstlebende treffen. Der Erblasser war selbstständiger Maler.

Der Antragsteller behauptet, neben dem Hausgrundstück sei nur unwesentliches Sparvermögen und einfacher Schmuck vorhanden gewesen, sodass es sich bei dem Hausgrundstück um das wesentliche Vermögen des Erblassers gehandelt habe und demzufolge eine Erbeinsetzung zu seinen Gunsten vorliege.

Die Antragsgegnerin behauptet, das Hausgrundstück sei im Jahr 1987 höchstens 5.000 Mark/DDR wert gewesen. Die Eheleute M. hätten umfangreiches Geld- bzw. Sparvermögen, wertvollen Schmuck und einen Pkw Wartburg, der schon allein mehr wert gewesen sei als das Grundstück, besessen.

Das alte reetgedeckte Wohnhaus der Eheleute M. verfügte bis zum Jahr 1990 über eine einfache Ferienwohnung ("Ost-Standar"d), die regelmäßig Verwandten überlassen wurde. Im Jahr 1992 wurde das Haus umgebaut und saniert, sodass zwei Wohnungen und drei Ferienwohnungen ("West-Standard") entstanden. Die Eheleute M. wandten hierfür 62.709,22 DM auf, die sie bar bezahlten. Ob es sich um Ersparnisse aus DDR-Zeiten oder um Einkünfte nach der "Wende" handelte, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Der Erblasser beerbte seine am 1.12.2017 vorverstorbene Ehefrau H.M. allein (s. Erbschein des AG Stralsund vom 4.4.2018 – Az. 101 VI 71/18).

Der Erblasser verkaufte das Hausgrundstück am 31.1./15.2.2019 für 200.000 EUR. Der Käufer ist noch nicht im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Im Grundbuch ist indes eine Sicherungshypothek i.H-.v. 25.000 EUR eingetragen. Der restliche Nachlass hat einen Wert von 61.000 EUR, darunter 40.000 EUR Geldvermögen und ein Bausparvertrag in Höhe von 10.000 EUR.

Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Erbscheinsantrag zurückzuweisen. Über ihren gegenläufigen Antrag, einen Alleinerbschein zu ihren Gunsten zu erteilen, ist noch nicht entschieden.

Das AG hat mit Beschl. v. 11.9.2020 die zur Begründung des Erbscheinsantrags vom 12.3.2020 erforderlichen Tatsachen zugunsten des Antragstellers für festgestellt erachtet. Neben dem Grundstück sei zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung kein nennenswertes Vermögen vorhanden gewesen; substantiierter Vortrag der Antragsgegnerin fehle insoweit. Wegen der weiteren Begründung wird auf den angefochtenen Beschl. v. 11.9.2020 verwiesen.

Die Antragsgegnerin hat am 13.10.2020 gegen den am 14.9.2020 zugestellten Beschluss Beschwerde eingelegt. Mit der Beschwerde hat sie die Rechnungen und Zahlungsnachweise betreffend den Umbau des Wohnhauses im Jahr 1992 sowie zahlreiche Fotos vor und während der Bauphase eingereicht. Der im Jahr 1973 bezahlte Kaufpreis habe dem Einheitswertbescheid und damit dem damaligen Verkehrswert entsprochen. Das Hausgrundstück habe im Jahr 1987 nicht das gesamte bzw. fast das gesamte Vermögen des Erblassers ausgemacht, sodass sich eine Auslegung der Zuwendung des Hausgrundstücks in eine Erbeinsetzung des Antragstellers verbiete.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Beschluss des AG Stralsund – Zweigstelle Bergen auf Rügen – vom 21.8.2020 (meint nach Berichtigung: 11.9.2020) – Az. 10 VI 187/20 aufzuheben und den Erbscheinsantrag des Antragstellers zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die gem. §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Erbscheinsantrag des Antragstellers vom 12./26.3.2020 ist unter Aufhebung des angefochtenen Beschl. des AG vom 11.9.2020 abzulehnen, weil der Antragsteller nicht testamentarischer Alleinerbe des Erblassers geworden ist; vielmehr ist die Antragsgegnerin aufgrund gesetzlicher Erbfolge Alleinerbin geworden.

Dem Antragsteller ist durch das Testament vom 23.7.1987 isoliert das Hausgrundstück der Eheleute M. zugewendet worden, ohne ihn zum (Schluss-) Erben einzusetzen. Gem. § 2087 Abs. 2 BGB ist die Zuwendung eines einzelnen Gegenstands im Zweifel nicht als Erbeinsetzung, sondern als Vermächtnisanordnung anzusehen. So liegt es hier:

Eine der Zweifelsregelung des § 2087 Abs. 2 BGB vorrangige Testamentsauslegung dahingehend, dass der Antragsteller entgegen dem Wortlaut des Testaments alleiniger Schlusserbe werden sollte, ist hier nicht vorzunehmen. Mit dem gewählten Vorausvermächtnis konnte der Wille der Eheleute M., dass ihre offenbar handwerklich unbegabte bzw. damals als unzuverlässig angesehene Tochter zumindest das Hausgrundstück nicht erhält, unproblematisch verwirklicht werden. Aufgrund der Beurkundung des gemeinschaftlichen Testaments durch einen staatlichen Notar ist davon auszugehen, dass den Eheleuten M. die Unterscheidung zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis gel...

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