Gemäß § 6 Abs. 4 ErbStG stehen Nachvermächtnisse und beim Tod des Beschwerten fällige Vermächtnisse oder Auflagen Nacherbschaften gleich, für die die Regelungen des § 6 Abs. 1 bis 3 ErbStG gelten. Hervorzuheben ist insbesondere, dass § 6 Abs. 1 ErbStG das Prinzip, wonach das Erbschaftsteuerrecht dem Zivilrecht folgt, durchbricht, indem in Abweichung zur zivilrechtlichen Beurteilung der Vorerbe als Erbe gilt und als Konsequenz dazu nach § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG die Nacherben den Erwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern haben.[14] Dies führt grundsätzlich zu einer doppelten Besteuerung sowohl im Vor- als auch im Nacherbfall. Der Steuerfreibetrag der Kinder auf den Tod des zuerst Sterbenden geht damit verloren.[15] § 6 Abs. 3 S. 2 ErbStG schwächt diese Anordnung allerdings für den Fall ab, in welchem die Nacherbfolge nicht mit dem Tod des Vorerben eintritt, indem "dem Nacherben die vom Vorerben entrichtete Steuer abzüglich desjenigen Steuerbetrags anzurechnen [ist], welcher der tatsächlichen Bereicherung des Vorerben entspricht".

Bei der Gestaltung ist daher zum einen dringend darauf zu achten, "versteckte" Nachvermächtnisse, die unter § 6 Abs. 4 ErbStG fallen, zu vermeiden.

Zum anderen sollte die Fälligkeit des Vermächtnisses nicht bis zum Ableben des längerlebenden Ehegatten hinausgezögert werden, um der steuerlich ungünstigen Folge des § 6 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 ErbStG zu entgehen.[16] Dies erfordert eine vom Grundsatz des § 2181 BGB abweichende Regelung.[17]

Um der Anforderung des § 6 Abs. 4 ErbStG zu genügen, kann es aber nicht allein ausreichen, § 2181 BGB abzubedingen. Vielmehr ist der Fälligkeitszeitpunkt unabhängig vom Todeszeitpunkt des Letztversterbenden positiv anzuordnen, ohne dass diese Anordnung als Umgehung im Sinne von § 42 AO zu werten ist.[18] Eine konkrete Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts zu Lebzeiten des Letztversterbenden verbunden mit der Stundung des Vermächtnisses bis zu dessen Tod dürfte eine solche Umgehung darstellen.[19] Eine Umgehung dürfte es weiterhin darstellen, wenn die Auffangfrist für die Fälligkeit des Vermächtnisses angesichts des Lebensalters der Beschwerten und Bedachten zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung bewusst unrealistisch lang bestimmt ist, sodass aus ex ante Sicht anhand der üblichen Lebenserwartung des Erben voraussehbar ist, dass dessen Tod vor dem Ablauf der Frist eintritt.[20]

Tritt trotz dieser ex ante Beurteilung vor Ablauf der Auffangfrist zufällig der Tod des Beschwerten ein, soll darin laut Everts keine Umgehung des § 6 Abs. 4 ErbStG liegen.[21] Er begründet dies damit, dass in diesem Fall überhaupt nicht auf den Tod des mit dem Vermächtnis Beschwerten abgestellt werde, sondern dieser ein zufällig dazwischentretendes Ereignis innerhalb einer rein zeitlich definierten Frist sei.[22] Allerdings sei als Folge zu beachten, dass der Tod des Beschwerten dann auch nicht die Fälligkeit auslöst, sondern dass die Frist weiterläuft und als Nachlassverbindlichkeit die Schlusserben belastet.[23]

Der Ansicht von Everts ist zwar im Grundsatz zuzustimmen. Ihr ist jedoch insoweit entgegenzutreten, als dass sie im Hinblick auf den Beurteilungsmaßstab aus der ex ante Perspektive unvollständig ist. Es ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum ex ante lediglich auf die Lebenserwartung des Beschwerten abzustellen sein sollte. Vielmehr liegt es auf der Hand, eine umfassende Betrachtung vorzunehmen und vor allem auch die Lebenserwartung des Erblassers miteinzubeziehen und zu schauen, wie weit die Lebenserwartung des Beschwerten diejenige des Erblassers übersteigt. Eine zulässige Höchstfrist in Jahren ab dem Todeszeitpunkt des Erstversterbenden könnte dann etwa lediglich in der (positiven) Differenz der Lebenserwartungen liegen.[24]

Keim ist der Ansicht, dass § 6 Abs. 4 ErbStG nicht anwendbar sei, wenn der Erfüllungszeitpunkt statt dem freien Belieben des Bestimmungsberechtigten lediglich dessen billigem Ermessen i.S.v. § 315 BGB überlassen bleibe.[25]

[14] Everts, ZErb 2004, 373, 374.
[15] Schmidt, BWNotZ 1998, 97, 98.
[16] Fischer, in: Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, 6. Aufl. 2017, § 9 ErbStG Rn 36; Fumi, in: von Oertzen/Loose, ErbStG, 2017, § 9 ErbStG Rn 52.
[17] Keim, ZEV 2016, 6, 11; Wachter, ErbR 2019, 621, 622 f.
[18] Everts, ZErb 2004, 373, 374; nochmals Everts, NJW 2008, 557, 558; DNotI-Report 2010, 3, 5; Kanzleiter, in: FS Brambring, 2011, 225, 231; Hölscher, in beckOGK, GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Hrsg: Müller-Engels, Stand: 1.7.2019, § 2151 BGB Rn 48; Wachter, ErbR 2019, 621, 622.
[19] Kanzleiter, in: FS Brambring, 2011, 225, 231.
[20] Everts, ZErb 2004, 373, 375; Keim, ZEV 2016, 6, 12; Wachter, ErbR 2019, 621, 623.
[21] So Everts, ZErb 2004, 373, 375; Everts, NJW 2008, 557, 558.
[22] Everts, ZErb 2004, 373, 375.
[23] Everts, ZErb 2004, 373, 375, weist noch daraufhin, dass diese Schuld selbst bei Personenidentität der Schlusserben und der Vermächtnisnehmer in erbschaftsteuerlicher Hinsicht wegen § 10 Abs. 3 ErbStG nicht erlischt.
[24] Dies kommt beispiel...

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