Der Kläger macht im Wege der Stufenklage seinen Pflichtteilsanspruch gegen den Beklagten als Alleinerben seines im Jahre 2010 verstorbenen Vaters geltend. Durch rechtskräftiges Teil-Anerkenntnisurteil des LG Kiel wurde der Beklagte verurteilt, Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses nach § 2314 BGB zu erteilen. Nachdem der Beklagte mit Schriftsatz vom 25.11.2016 ein auf seine Veranlassung erstelltes notarielles Nachlassverzeichnis vorgelegt hatte, hat der Kläger auf der zweiten Stufe beantragt, den Beklagten zu verurteilen, vor der zuständigen Stelle die Richtigkeit der Angaben im notariellen Verzeichnis an Eides statt zu versichern.

Das LG Kiel hatte die zweite Stufe umfassend abgewiesen. Das OLG Schleswig hat das erstinstanzliche Teilurteil abgeändert und den Beklagten verurteilt, die eidesstattliche Versicherung insoweit abzugeben, als die Angaben im notariellen Nachlassverzeichnis als solche des Beklagten gekennzeichnet sind. Im Übrigen hat das OLG Schleswig die Klage auf der zweiten Stufe zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Abgabe einer umfassenden eidesstattlichen Versicherung in Bezug auf alle Feststellungen im notariellen Nachlassverzeichnis weiter.

Entgegen der herrschenden Literatur[77] ist der BGH zu der Auffassung gelangt, dass der Erbe unter den Voraussetzungen des § 260 BGB zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in Bezug auf die vollständige Auskunft auch dann verpflichtet ist, wenn die Auskunft nach § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses erteilt worden ist. Der BGH stellt fest, dass es sich auch bei dem notariellen Nachlassverzeichnis allein um eine Auskunft des Erben handelt. Das notarielle Nachlassverzeichnis stellt dabei lediglich die für die Erfüllung der Auskunftspflicht nach § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB vorgegebene Form der Auskunftserteilung da. Die Verpflichtung und Verantwortung des Erben als Auskunftsschuldner wird durch die notarielle Form der Auskunft nicht verändert oder beschränkt. Es handelt sich um eine eigene Auskunft des Erben, wenn er das vom Notar erstellte Verzeichnis zur Erfüllung des gegen ihn nach § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB bestehenden Auskunftsanspruchs vorlegt und sich dieses dadurch zu eigen macht.

Der Erbe ist als Auskunftspflichtiger verpflichtet, eigenes Wissen nicht zurückzuhalten und sich anhand der für ihn erreichbaren Erkenntnisquellen bis zur Grenze der Unzumutbarkeit eigenes Wissen zu verschaffen und solches – notfalls mit Unterstützung durch Hilfspersonen (hier: des Notars) – zu vervollständigen. Anlass zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung kann bereits das frühere Verhalten des Erben geben. Dies ist insbesondere im Hinblick auf eine frühere unvollständige oder unrichtige (privatschriftliche) Auskunft anzunehmen. Diese begründet den Verdacht, dass das schließlich vorgelegte notarielle Nachlassverzeichnis nicht sorgfältig aufgestellt wurde.

[77] BeckOGK/Blum/Heuser, BGB, § 2314 Rn 84 (Stand: 15.6.2021); BeckOK-BGB/Müller-Engels, § 2314 Rn 32 (Stand: 1.8.2021); Burandt/Rojahn/Horn, § 2314 Rn 60; Bock in Kroiß/Ann/Mayer, BGB, 5. Aufl., § 2314 Rn 27a; MüKo-BGB/Lange, 8. Aufl., § 2314 Rn 29; Schönenberg-Wessel, Das notarielle Nachlassverzeichnis, 2020, § 34 Rn 6; MAH ErbR/Horn, 5. Aufl., § 29 Rn 361; Kurth, ZErb 2018, 293, 296; Heinze, RNotZ 2019, 260, 261; nun dem BGH folgend: jurisPK-BGB/Birkenheier, 9. Aufl., § 2314 Rn 102.1 (Stand: 10.1.2022).

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