Obwohl das Gesetz in § 2331a BGB mit der Stundung eine hervorragende Möglichkeit geschaffen hat, durch Pflichtteilsberechtigte in Bedrängnis geratenen illiquiden Erben zur Seite zu springen, wird dieser Rettungsanker nur selten genutzt. Dies liegt häufig daran, dass den Erben diese Stundungsmöglichkeit gar nicht bekannt ist und der anwaltliche Berater aufgrund fehlender Nachfrage des Mandanten nicht sofort an diese Möglichkeit denkt. Daher lohnt es, sich der Voraussetzungen des § 2331a BGB nochmals gewahr zu werden, um in geeigneten Situationen den Mandaten die gesetzlichen Möglichkeiten zu präsentieren und ggf. anzuwenden.

§ 2331a BGB ermöglicht auf Antrag des Erben die Stundung des Pflichtteilsanspruchs, wenn die sofortige Erfüllung – auch unter Berücksichtigung der Interessen des Pflichtteilsberechtigten – für den Erben eine unbillige Härte darstellen würde. Die Stundung erfordert eine doppelte Billigkeitsentscheidung. Zum einen muss die sofortige Erfüllung den Antragsteller wegen der Art der Nachlassgegenstände "unbillig hart" treffen. Dies genügt allein noch nicht. Selbst wenn die unbillige Härte vorliegt, müssen zum anderen auch die Interessen des Pflichtteilsberechtigten angemessen berücksichtigt werden.[40]

Jeder Erbe ist antragsberechtigt. Eine Antragsfrist ist nicht vorgesehen. Dabei ist zu beachten, dass der Antrag nicht die Fälligkeit (und ggf. Vollstreckbarkeit) des Pflichtteilsanspruchs verhindert. Es gibt also durch den Antrag keine aufschiebende Wirkung. Bei der Voraussetzung der unbilligen Härte muss diese im Zusammenhang mit der Struktur des Nachlasses gegeben sein. Es muss eine nicht anders als durch Veräußerung des betroffenen ererbten Wirtschaftsguts zu behebende Illiquidität des Erben vorliegen (wobei der Erbe auch das Eigenvermögen einsetzen muss).[41] Typischerweise ist die Voraussetzung gegeben, wenn der Nachlassgegenstand ein Familienheim oder ein Wirtschaftsgut ist, das für den Erben und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. Dabei genügt es, wenn die Nachlassimmobilie für die Zukunft das Familienheim werden soll.[42] Die Immobilie muss dabei nicht schon zum Zeitpunkt des Erbfalls die Lebensgrundlage bilden. Diese wirtschaftliche Lebensgrundlage muss konkret gefährdet sein durch die Auszahlung des Pflichtteils. Bei mehreren Erben sind die Stundungsvoraussetzungen für jeden Erben gesondert zu prüfen. Die einem Erben gewährte Stundung wirkt grundsätzlich nicht zugunsten der anderen Erben, es sei denn, der Nachlass ist noch nicht geteilt und keiner der Erben haftet unbeschränkt. Dann kommt die einem Miterben gewährte Stundung auch den anderen Miterben zugute, da sich die Vollstreckung nur auf den ungeteilten Nachlass richten kann. Dies gilt auch, wenn nur einer der Erben unbillig hart betroffen würde.

Die Interessen des Pflichtteilsberechtigten sind angemessen zu berücksichtigen, da sich im Todesfall sein Anspruch auf Teilhabe am Erbe realisiert.

Bei der Interessenabwägung kann daher das Alter der Parteien von Bedeutung sein und inwieweit bereits Verzögerungen durch bisherige Prozesse und Verfahren eingetreten sind.[43] Eine Stundung kommt nicht Betracht, wenn absehbar ist, dass der Erbe nicht in die Lage versetzt wird, sich jemals die Mittel zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen. Die Erfüllung des Pflichtteils muss in Aussicht stehen.[44] Im Hinblick auf die in die Abwägungsentscheidung einfließenden Interessen des Pflichtteilsberechtigten ist dieser im Regelfall berechtigt, eine ausreichende Sicherheit zu verlangen. Ist dies nicht möglich, kommt eine Stundung regelmäßig nicht in Betracht.[45]

Dazu zwei Beispiele, in denen eine Stundung nach § 2331a BGB Sinn macht:

 

Beispiel 8:

Die betagte zweite Ehefrau des Erblassers ist Alleinerbin. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einer Immobilie, die von dem Erblasser und seiner Ehefrau bewohnt wurde. Die Rente der Erbin reicht nicht aus, noch Raten auf den Pflichtteil zu leisten. Aufgrund des Alters bekommt sie keinen Bankkredit. Sie müsste das Haus verkaufen, um den Pflichtteil an den Sohn aus erster Ehe zu bezahlen. Es ist dem Sohn aus erster Ehe zuzumuten, auf das Ableben der Alleinerbin zu warten. Bis dahin wird der Pflichtteil mit Zinsen gestundet und eine Grundschuld an der Immobilie zur Sicherheit bestellt.

Beispiel 9:

Der Alleinerbe befindet sich noch in der Wohlverhaltensphase bzw. Restschuldbefreiungsphase nach der Aufhebung seines Insolvenzverfahrens. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einer Immobilie, in der der Alleinerbe bereits mit seiner Familie wohnt. Der Alleinerbe hat keine Mittel, den Pflichtteilsanspruch seiner Schwester komplett zu bedienen. Aktuell bekommt der Alleinerbe keinen Bankkredit. Er ist berufstätig und kann nur Raten zahlen. Es ist aber zu erwarten, dass er nach Ablauf von drei Jahren wieder einen Kredit bekommt und die gesamte Bezahlung des noch offenen Pflichtteils möglich sein sollte. Hier ist für die Pflichtteilsberechtigte eine Stundung des Pflichtteils mit Verzinsu...

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