Um auch während der Corona-Krise das Funktionieren der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit zu gewährleisten, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit während der COVID-19-Epidemie sowie zur Änderung weiterer Gesetze (COVID-19-ArbGG/SGG-AnpassungsG) vorgelegt.

Der Referentenentwurf sieht u.a. die Nutzung von Videokonferenzen im arbeitsgerichtlichen und im sozialgerichtlichen Verfahren vor und schafft die Möglichkeit, dass ehrenamtliche Richter an der mündlichen Verhandlung per Videoübertragung von einem anderen Ort aus teilnehmen können. Das Gericht kann dies anordnen, vorausgesetzt, die am Verfahren Beteiligten können die erforderlichen technischen Mittel in zumutbarer Weise vorhalten. Zudem soll die Möglichkeit eröffnet werden, aus Gründen des Gesundheitsschutzes die Öffentlichkeit von der mündlichen Verhandlung auszuschließen.

Während die Intention des geplanten Gesetzes allgemein begrüßt wurde, haben Anwaltschaft und Richterschaft einige Bedenken gegen einzelne Regelungen geltend gemacht. So begrüßte etwa die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) ausdrücklich die Absicht, die Funktionsfähigkeit der Arbeits- und Sozialgerichte in Zeiten einer Epidemie sicherzustellen, und insb. die Möglichkeit, mündliche Verhandlungen mithilfe von Videokonferenztechnik abzuhalten. Sowohl hinsichtlich der geplanten Änderungen im ArbGG als auch im SGG sieht die BRAK jedoch einigen Nachbesserungs- bzw. Klarstellungsbedarf. Erhebliche Bedenken äußerte die BRAK zum geplanten Ausschluss der Öffentlichkeit. Hierbei handele es sich um ein fundamentales Verfahrensprinzip. Daher regte sie an, auch – vorrangig – Beschränkungen der Öffentlichkeit (z.B. Begrenzung der Zuschauer, Sitzabstände, Plexiglasscheibe vor der Richterbank u.Ä.) im Gesetz vorzusehen. Kritisch wird von der BRAK auch die geplante temporäre Verlängerung der Frist für Kündigungsschutzklagen gesehen; hier mahnte sie klarstellende Übergangsregelungen an.

Auch die Neue Richtervereinigung (NRV) übte teils heftige Kritik am Entwurf. Dieser sei von dem Bemühen gekennzeichnet, die Entscheidungsfindung in der Sozialgerichtsbarkeit auch während der Pandemie um jeden Preis aufrechtzuerhalten. Dies geschehe aber durch komplizierte Regelungen, die sich in der Praxis kaum als anwendbar erweisen und nicht dazu führen würden, dass die Funktionsfähigkeit der Sozialgerichtsbarkeit gegenüber dem jetzigen Stand deutlich verbessert werde. So werde etwa die vorgesehene Zuschaltung der ehrenamtlichen Richter von jeweils verschiedenen Orten technisch nicht ohne Weiteres zu bewerkstelligen sein. Dazu fehle es einfach an der notwendigen technischen Infrastruktur in den Gerichten. Auch die parallele Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Gerichtssaal unter Anwesenheit der Beteiligten bzw. ebenfalls unter elektronischer Zuschaltung der Beteiligten dürfe in der praktischen Umsetzung auf nicht unerhebliche Schwierigkeiten stoßen. Eine Gerichtsverhandlung im kontradiktorischen Verfahren lasse sich eben nicht so ohne Weiteres in einer Videokonferenz durchführen wie ein Team-Meeting.

[Quellen: BRAK/NRV]

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