I. Grundsatz: Abfindungsverbot

Laufende Betriebsrenten und gesetzlich unverfallbare Anwartschaften können nach § 3 BetrAVG, der rechtsdogmatisch als Verbotsnorm konzipiert ist, nur unter sehr restriktiven Voraussetzungen abgefunden werden. In der Gesetzesbegründung wird hierzu die "unbestritten zunehmende Bedeutung von Betriebsrenten für die Alterssicherung" angeführt, aufgrund derer den "Beschäftigten Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung bis zum Rentenbeginn und laufende Betriebsrenten bis zum Lebensende erhalten bleiben sollen" (BT-Drucks. 15/2150, S. 52 zu Nr. 4). Die betriebliche Altersversorgung soll also vor einem vorzeitigen Konsum bewahrt werden. Gleichwohl stellt sich in der Praxis immer wieder die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen betriebliche Versorgungsleistungen abgefunden werden können.

II. Abfindbarkeit sog. Bagatellleistungen

§ 3 Abs. 2 BetrAVG erlaubt lediglich die Abfindung sog. Bagatellanwartschaften und Bagatellrenten. Danach liegt eine abfindbare Bagatellleistung nur dann vor, wenn die beim Erreichen der vereinbarten Altersgrenze zu zahlende monatliche Altersrente 1 % bzw. bei Kapitalleistungen 120 % der monatlichen Bezugsgröße gem. § 18 SGB IV nicht überschreitet. Ausgehend von der 2015 geltenden aktuellen Bezugsgröße sind damit nur noch Rentenanwartschaften bis max. monatlich 28,35 EUR (24,15 EUR in den neuen Bundesländern) bzw. Kapitalleistungen bis max. 3.402 EUR (2.898 EUR in den neuen Bundesländer) abfindbar. Weiter gehende Abfindungsmöglichkeiten bestehen nicht, und zwar auch dann nicht, wenn beide Vertragsparteien dies übereinstimmend wünschen.

 

Hinweis:

Liegt die Anwartschaft bzw. die laufende Rente unterhalb der vorgenannten Bagatellgrenze, kann der Arbeitgeber diese einseitig abfinden. Eine Zustimmungspflicht des Arbeitnehmers besteht nicht, und zwar auch dann nicht, wenn die Zusage auf einer Entgeltumwandlungsvereinbarung beruht.

Im Rahmen der anstehenden Umsetzung der sog. EU-Mobilitätsrichtlinie in nationales Recht, werden künftig – ab 2018 – allerdings Abfindungszahlungen und somit auch die vorgenannten Abfindungen von Bagatellleistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung nur noch mit Zustimmung des Mitarbeiters zulässig sein, soweit die Abfindung im Zusammenhang mit einem grenzüberschreitenden Arbeitgeberwechsel stattfindet. Im Falle eines inländischen Arbeitgeberwechsels soll dagegen – nach derzeitigem Kenntnisstand – keine Änderung der bestehenden Rechtslage erfolgen.

Die einseitige Abfindung durch den Arbeitgeber kann der Versorgungsberechtigte gem. § 3 Abs. 2 S. 3 BetrAVG nur durch den gesetzlich zwingenden Vorrang des Rechtsanspruchs auf Portabilität verhindern. Danach ist die Abfindung durch den Arbeitgeber dann unzulässig, wenn der Arbeitnehmer von seinem Recht auf Übertragung der Anwartschaft (§ 4 Abs. 3 BetrAVG) Gebrauch macht (vgl. auch Langohr-Plato/Teslau NZA 2004, 1299).

Vom Abfindungsverbot ausgenommen sind gem. § 30g Abs. 2 BetrAVG lediglich solche bereits laufenden Rentenzahlungen, die erstmals vor dem 1.1.2005 zur Auszahlung gelangt sind. Derartige "Alt-Renten" können nach wie vor in unbegrenzter Höhe abgefunden werden.

 

Hinweis:

Um eine abfindbare "Altrente" handelt es sich auch dann, wenn eine bereits vor dem 1.1.2005 gezahlte Altersrente durch den Tod des Versorgungsberechtigten endet und nach dem 1.1.2005 dann erstmalig eine Hinterbliebenenrente fällig wird.

Als aus dem Anspruch auf Altersrente abgeleitete Versorgungsleistung muss die Hinterbliebenenrente das Schicksal der ursprünglich gezahlten Altersrente teilen. War diese abfindbar, ist auch die Hinterbliebenenrente abfindbar.

III. Sonstige zulässige Abfindungsmöglichkeiten

§ 3 Abs. 1 BetrAVG erfasst nur gesetzlich unverfallbare Anwartschaften, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufrechtzuerhalten sind. Dies ermöglicht zunächst einmal die Abfindung noch verfallbarer Versorgungsanwartschaften. Darüber hinaus können Anwartschaften, deren Unverfallbarkeit auf einer vertraglichen Vereinbarung beruhen, solange abgefunden werden, wie die gesetzliche Unverfallbarkeitsfrist noch nicht erfüllt ist.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, Versorgungsanwartschaften im laufenden Arbeitsverhältnis abzufinden oder auf sie ganz oder teilweise zu verzichten, wenn die Abfindung bzw. der Verzicht "nicht im zeitlichen oder sachlichen Zusammenhang mit dessen Beendigung" erfolgt (so ausdrücklich die amtliche Begründung des Gesetzgebers, vgl. BT-Drucks. 15/2150, S. 52 zu Nr. 4; vgl. ferner BAG, Urt. v. 14.8.1990 – 3 AZR 301/89, NZA 1991, 174; BAG, Urt. v. 21.1.2003 – 3 AZR 30/02, DB 2003, 2130; Förster/Cisch/Karst, BetrAVG, § 3 Anm. 7; Blumenstein BetrAV 2004, 237).

 

Hinweis:

Ein solch zeitlicher oder sachlicher Zusammenhang ist immer dann zu bejahen, wenn die Abfindung nach Ausspruch der Kündigung des Arbeitsvertrags (so schon BAG, Urt. v. 22.9.1987 – 3 AZR 194/86, BAGE 56, 148; vgl. auch BAG, Urt. v. 11.12.2001 – 3 AZR 334/00, DB 2002, 2335; Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, § 3 Rn. 23) oder nach Beantragung der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vereinbart wird.

Das Verbot, unverfallbare Versor...

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