Neben dem Zuständigkeitsstreitwert sind für die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit in Zivilsachen auch eine Reihe von Spezialzuweisungen zu berücksichtigen.

In § 23 Nr. 2 GVG ist eine Aufzählung von Streitigkeiten enthalten, die die ausschließliche Zuständigkeit des AG unabhängig vom Streitwert regelt. Beispielhaft ist das AG für Ansprüche aus einem Mietverhältnis über Wohnraum i.S.v. §§ 549 ff. BGB oder über den Bestand eines solchen Mietverhältnisses (§ 23 Nr. 2a GVG) ausschließlich zuständig. Allerdings richtet sich die sachliche Zuständigkeit bei gewerblichen Mietverhältnissen nach § 23 Nr. 1 GVG und damit nach dem Streitwert.

 

Hinweis:

Unter Streitigkeiten aus dem Mietverhältnis sind insb. Klagen auf Räumung, Mietzahlung, Schadensersatz, Mieterhöhung und ähnliche Ansprüche zu verstehen (vgl. Rathmann in: Saenger, ZPO, 9. Aufl. 2021, § 23 GVG, Rn 5 f.).

Streitigkeiten im Zusammenhang mit Gemeinschaften von Wohnungseigentümern i.S.v. § 43 WEG (§ 23 Nr. 2c GVG) sowie Ansprüche aus der Überlassung eines Grundstücks aufgrund eines Leibgedings-, Leibzuchts-, Altenteils- oder Auszugsvertrags (§ 23 Nr. 2g GVG) fallen ebenfalls in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der AG. Des Weiteren sind nach § 23 Nr. 2b GVG sog. Reisestreitigkeiten aufgrund ihrer (regelmäßig) besonderen Eilbedürftigkeit dem AG zugewiesen. Die Zuständigkeit des AG für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Wildschäden beschränkt sich auf Sachverhalte, die ihren Ursprung in §§ 29 ff. BJagdG i.V.m. dem entsprechenden Landesgesetz haben (§ 23 Nr. 2d GVG; dazu Rathmann, a.a.O., § 23 GVG, Rn 9).

Die ausschließliche Zuständigkeit des LG ist im Katalog des § 71 Abs. 2 GVG geregelt. Die Zuständigkeit des LG für Ansprüche aufgrund des Beamtengesetzes nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 GVG hat wegen der Zuweisung sämtlicher Ansprüche aus dem Beamtenverhältnis zu den Verwaltungsgerichten nach § 126 BRRG, § 172 BBG und § 54 BeamtenstatusG keine praktische Bedeutung mehr. Allerdings fallen nach § 71 Ab. 2 Nr. 2 GVG Amtshaftungsansprüche gegen Richter und Beamte (vgl. Art. 34 S. 2 GG, § 839 BGB) in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der LG. Seit dem Gesetz zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren v. 16.8.2005 (BGBl I 2005, 2437) findet sich in § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG eine Sonderzuweisung der sachlichen Zuständigkeit an das LG für Schadensersatzansprüche aufgrund fehlerhafter bzw. unterlassener Kapitalmarktinformationen.

 

Hinweis:

Hintergrund ist die Bündelung aller Klagen bei einem Eingangsgericht (BT-Drucks 15/591, S. 34). Dazu vergleichbar hat der Gesetzgeber mit der Spezialzuweisung nach § 71 Abs. 2 Nr. 5 GVG über das Anordnungsrecht des Bestellers i.S.d. §§ 650b und 650c BGB die Konzentration von Streitigkeiten bei bestimmten Gerichten und damit die Schaffung eines einheitlichen Wissensstands beabsichtigt (BT-Drucks 18/11437, S. 44).

Neben der Aufzählung von gesellschaftsrechtlichen Zuständigkeiten des LG in § 72 Abs. 2 Nr. 4 GVG können noch weitere praktisch relevante Zuständigkeiten, welche unabhängig vom Zuständigkeitsstreitwert den Landgerichten in einzelnen Gesetzen zugewiesen wurden, hervorgehoben werden. So ist das Landgericht im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes, Kartellrechts, Gesellschaftsrechts, Börsenrechts und Notarrechts teilweise die erste Instanz (s. dazu m.w.N. Rathmann, a.a.O., § 71 GVG, Rn 3 ff.).

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