Leben die Eltern getrennt, müssen sie bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung sind, einvernehmlich entscheiden (§ 1687 Abs. 1 BGB). Umgekehrt kann also der Elternteil, bei dem das Kind lebt, Angelegenheiten des täglichen Lebens allein entscheiden (§ 1687 Abs. 2 BGB).

Können sich die Eltern bei gemeinsamem Sorgerecht über eine solche Frage von erheblicher Bedeutung nicht einigen, ist ein Antrag gem. § 1628 BGB zu stellen.

Die Angelegenheiten des täglichen Lebens sind nach den individuellen Verhältnissen des Kindes zu bestimmen und zu unterscheiden von den "Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung". Angelegenheiten des täglichen Lebens sind diejenigen, die i.d.R. häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben (§ 1687 Abs. 1 S. 3 BGB); insoweit wird auch von Alltagssorge gesprochen (Willutzki Rpfleger 1997, 336 f.; Palandt/Diederichsen, BGB, 74. Aufl. 2015, § 1687 Rn. 9).

 

Hinweis:

Allerdings kann praktisch jedes Alltagsproblem unversehens ins Grundsätzliche umschlagen und damit von erheblicher Bedeutung für das Kind werden. Die Unterscheidung zwischen erheblichen und alltäglichen Angelegenheiten gilt nicht nur für die Personen-, sondern auch für die Vermögenssorge (Schilling NJW 2007, 3233 f. m.w.N.). In Zweifelsfällen ist von einer bedeutenden Angelegenheit auszugehen (Schilling NJW 2007, 3233 f.).

Aus dem Bereich der Personensorge sind folgende Beispiele von Angelegenheiten mit erheblicher Bedeutung relevant (umfassend Schilling NJW 2007, 3233, 3234).

 

Beispiele:

  • Grundsätzliche Gestaltung des Sorgemodells (persönliche Betreuung, Wechselmodell usw.) (Poncelet, jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 1687 BGB Rn. 9 m.w.N.).
  • Entscheidungen zum Aufenthalt des Kindes (KK-FamR/Ziegler, 2. Aufl. 2005, § 1687 BGB Rn. 7):

    • Bestimmung des (gewöhnlichen) Aufenthalts des Kindes bzw. Wohnortwechsel des betreuenden Elternteils mit dem Kind (Schilling NJW 2007, 3233 f.; OLG Brandenburg OLGR 2004, 440 f.; OLG Hamburg FamRZ 2001, 1088; OLG Zweibrücken FamRZ 2001, 639),
    • Umstritten: Beantragung eines Kinderausweises (bejahend: Poncelet, jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 1687 BGB Rn. 9 m.w.N.; OLG Karlsruhe FamRZ 2005, 1187 f.; Stockmann jurisPR-FamR 15/2005, Anm. 5; a.A. OLG Bremen FamRZ 2008, 810; Kieninger jurisPR-FamR 9/2008, Anm. 2; OLG Brandenburg FamRZ 2003, 111).
    • Bei Reisen und Urlaubsaufenthalten ist zumindest dann eine erhebliche Bedeutung zu bejahen, wenn mit der Reise typischerweise Gesundheitsgefahren verbunden sind. Entsprechendes gilt auch bei Reisen in Krisengebiete (Schilling NJW 2007, 3233 f. m.w.N.; OLG Köln NJW 1999, 295 = FamRZ 1999, 249 f.; OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1272). So könnte z.B. die Afrikareise eines Säuglings gem. §§ 1628, 1671 BGB zu beurteilen sein, während die gleiche Reise eines 17-jährigen Kindes von § 1687 BGB gedeckt sein dürfte (Poncelet, jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 1687 BGB Rn. 12 m.w.N.).
    • Beantragung eines Kinderausweises für Auslandsreisen (OLG Karlsruhe FamRZ 2005, 1187 f.; Stockmann, jurisPR-FamR 15/2005, Anm. 5; a.A. OLG Bremen FamRZ 2008, 810; Kieninger jurisPR-FamR 9/2008, Anm. 2; OLG Brandenburg FamRZ 2003, 111),
    • Mitnahme eines Kindes von noch nicht zwei Jahren bei einer Auslandsreise mit mehrstündigem Flug (OLG Naumburg EzFamR aktuell 2000, 2 f.); für ein 10-jähriges Kind (AG Rosenheim FamRZ 2004, 49 f.).
  • Maßnahmen die Gesundheit betreffend:

    • Die Wahl der Behandlungsmethode, mit Ausnahme der gewöhnlichen medizinischen Versorgung (OLG Bamberg FamRZ 2003, 1403),
    • Die Behandlung von Impfungen des Kindes ist umstritten. Hier sollte eine besondere Bedeutung nur angenommen werden bei Impfungen, die mit einem besonderen Risiko verbunden sind (Schilling NJW 2007, 3233 f. m.w.N.; vgl. auch KG FamRZ 2006, 142 und Peschel-Gutzeit, NK-BGB, 3. Aufl. 2014, § 1687 Rn. 14).
    • Die Einwilligung in eine Operation oder eine langwierige Behandlung sowie die Unterbringung des Kindes in einer Heilanstalt (Schilling NJW 2007, 3233 f. m.w.N.).
  • Bestimmung des Vornamens des Kindes (OLG Dresden v. 13.1.2004 – 21 (10) UF 0821/03, juris Rn. 2; Schilling NJW 2007, 3233 f. m.w.N.).
  • Entscheidungen über die religiöse Erziehung/Taufe (BGH NJW 2005, 2080 = FamRZ 2005, 1167; OLG Schleswig FamRZ 2003, 1948; AG Weilburg FamRZ 2003, 1308 f.).
  • Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit/Antrag auf Einbürgerung (OLG Hamm FamRZ 2006, 1058; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 7.10.2003 – 13 S 887/03, juris Rn. 28).
  • Besuch einer Kindertagesstätte (OLG Brandenburg OLGR 2004, 440; Poncelet, jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 1687 BGB Rn. 13 m.w.N.).
  • Schulische Maßnahmen und Entscheidungen (Poncelet, jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 1687 BGB Rn. 11 m.w.N.):

    • Einschulung (wann und in welche Schule) (BVerfG, NJW 2003, 1031 = FamRZ 2003, 511; OLG Brandenburg OLG-Report 2004, 440 f.),
    • Schulwechsel (OLG Dresden FamRZ 2003, 1489; OLG München FamRZ 1999, 111 f.),
    • Besuch einer weiterführenden Schule (Schilling NJW 2007, 3233 f. m.w.N.),
    • freiwillige Wiederholung einer Kl...

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