Um die Modernisierung des Rechtsdienstleistungsrechts und die Stärkung der Anwaltschaft ging es bei einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Bundestags Mitte März 2020. Sachverständige aus der Anwaltschaft, der Wissenschaft und der Wirtschaft äußerten sich in der Sitzung zu Gesetzesinitiativen der FDP und der Grünen.

Die Vorschläge beider Fraktionen wollen der Tatsache Rechnung tragen, dass sich in den letzten Jahren neue Unternehmensformen der Rechtsberatung etabliert haben. Um diesen neuen Sektor rechtsberatender Dienstleistungen, in erster Linie sog. Legal Tech-Anwendungen, nicht einem Feld von gerichtlichen Einzelfallentscheidungen zu überlassen, müsse der Gesetzgeber tätig werden. Insbesondere die Digitalisierung der Rechtslandschaft verlange zügig Regelungen, die die Automatisierung von Rechtsdienstleistungen zum Inhalt haben. Die Initiatoren setzen sich zudem dafür ein, die Anwaltschaft durch eine angemessene Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren zu stärken. Auch soll etwa die Vereinbarung von Erfolgshonoraren bis zu einem bestimmten Streitwert zugelassen sowie geprüft werden, inwiefern in Einzelfällen eine Lockerung des Verbots der Prozessfinanzierung sinnvoll und angemessen sein könne. Damit solle langfristig ein fairer Wettbewerb zwischen Anwaltschaft und nichtanwaltlichen Dienstleistern gewährleistet werden.

Der Vizepräsident der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), André Haug, verwies auf eine Stellungnahme seiner Kammer, in der reine Kapitalbeteiligungen an anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften mit dem Ziel, alternative Finanzierungswege insb. zur Finanzierung von Legal Tech zu erlauben, nachdrücklich abgelehnt werden. Für solche Fremdkapitalgeber werde keine Notwendigkeit gesehen. In der Praxis bestünden ausreichende alternative Möglichkeiten, Finanzierungen einzuholen. Wirtschaftliche Interessen dürften unter keinen Umständen den Mandanteninteressen vorgehen. Die anwaltliche Unabhängigkeit müsse ganz und gar unangetastet bleiben. Eine gesetzgeberische Bevorzugung von Kanzleien, die sich mit Legal Tech-Anwendungen befassten, gegenüber Berufsträgern, die aus anderen Gründen Kapitalbedarf hätten, sei verfassungsrechtlich kaum haltbar.

Eine Rechtsanwältin aus Hamburg sah ebenso wie ihre Berliner Kollegin Edith Kindermann, Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins, den Zugang zum Recht durch die vorgeschlagenen Neuerungen erheblich erschwert. Bei der derzeitigen Entwicklung in der Rechtsprechung drohten die bisherigen Grundprinzipien im Bereich Rechtsdienstleistungen in ihr Gegenteil verkehrt zu werden, so ihre Stellungnahme. Den Befürwortern einer Öffnung des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) für Legal Tech gehe es nicht um den Rechtsstaat, sondern um Geschäftsinteressen von diversen Unternehmen, die sich neue Geschäftsfelder zu erschließen hofften. Das BGH-Urteil zu wenigermiete.de habe aus der Rechtswissenschaft bereits erhebliche und sehr berechtigte Kritik erfahren, erklärte sie. Es dürfte damit auch in der Rechtsprechung hinsichtlich dieser Frage spannend bleiben. Eine Anpassung der Gebühren des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes sei allerdings überfällig und werde nachdrücklich befürwortet.

Der Vertreter des Verbraucherzentrale Bundesverbands plädierte dafür, die Lösung für Defizite bei der Durchsetzung von Verbraucherrecht in verfahrensrechtlichen Regelungen zu suchen, die eine Vollkompensation ermöglichen und dem Verbraucher den gesamten ihm zustehenden Betrag zukommen lassen. Der Gesetzgeber solle deshalb vornehmlich die individuellen und kollektiven Regeln zur Rechtsdurchsetzung und Streitbeilegung anpassen, anstatt vorschnell dem Ruf nach einer Deregulierung der Rechtsberatung zu folgen. Eine solche Deregulierung sei für eine Nutzbarmachung der Möglichkeiten von Legal Tech auch nicht erforderlich. Die derzeitige Ausgestaltung von Legal Tech-Angeboten – Abtretungsmodelle unter Nutzung einer Inkassolizenz – sei für das eigentliche Tätigkeitsbild nicht ansatzweise ausreichend geregelt, bemängelte er.

Ein Düsseldorfer Rechtsanwalt erklärte, die Gesetzentwürfe reflektierten digitalisierungsbedingte Umwälzungen auf den Rechtsdienstleistungsmärkten, mit denen die Entwicklung der regulatorischen Rahmenbedingungen bislang nicht mitgehalten habe. Das Ziel beider Vorschläge, das Rechtsdienstleistungs- und das anwaltliche Berufsrecht zumindest in einigen zentralen Teilen an die Wirklichkeit heranzuführen, sei zu begrüßen. Die Anwaltschaft könne unter unveränderten berufsrechtlichen Rahmenbedingungen für den rational desinteressierten Verbraucher in etlichen Beratungsbereichen keine effektiven Rechtsschutzangebote unterbreiten. In diese Lücke seien Legal Tech-Anbieter gestoßen.

Nach Meinung eines Professors von der Leibniz Universität Hannover würde mit den Plänen dagegen schwerwiegend in den Schutzbereich des RDG eingegriffen. Die Regelung lade zur Umgehung des anwaltlichen Berufsrechts ein und stelle nicht sicher, dass die Rechtsberatung hinreichend qualifiziert erfolge. ...

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