Ausnahmsweise kann sich der Erstattungspflichtige auf die teilweise Anrechnung berufen, wenn die Vergütungsvereinbarung für die außergerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten in missbräuchlicher Weise nur getroffen worden ist, um die Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG zu umgehen. In dem vom BGH (RVGreport 2009, 433 [Hansens] = AGS 2009, 523) entschiedenen Fall hat der BGH keine Anhaltspunkte für einen solchen Missbrauch gesehen. Ein derartiger Rechtsmissbrauch wird wohl auch kaum einmal festgestellt werden können. Allein der Umstand, dass die obsiegende Partei mit ihrem Prozessbevollmächtigten eine Vergütungsvereinbarung für dessen vorgerichtliche Tätigkeit geschlossen hat, lässt keinen Rechtsmissbrauch erkennen. Denn der Abschluss von Vergütungsvereinbarungen ist in § 3a RVG ausdrücklich vorgesehen. Außerdem wird durch die Vergütungsvereinbarung auch im Innenverhältnis die Anrechnung der Geschäftsgebühr zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten ausgeschlossen. Bei Abschluss der Vergütungsvereinbarung kann der Mandant im Regelfall nicht wissen, dass er im nachfolgenden Rechtsstreit zumindest teilweise obsiegen wird. Deshalb kommt nach Auffassung des KG (RVGreport 2010, 343 [Hansens]) eine Anrechnung selbst dann nicht in Betracht, wenn die Vergütungsvereinbarung lediglich zum Inhalt hat, dass die Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG unterbleibt.

Abgesehen vom vorstehend erwähnten Rechtsmissbrauch hat die Rechtsprechung nur in zwei Ausnahmefällen die teilweise Anrechnung einer vereinbarten Vergütung auf die Verfahrensgebühr zugelassen:

  • Der X. Zivilsenat des BGH (RVGreport 2014, 352 [Hansens] = AGS 2014, 468 = zfs 2014, 648) hat die auf der Grundlage einer Stundenhonorarvereinbarung geschuldete Vergütung für die Vertretung vor der Vergabekammer entsprechend Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG im dort vorgesehenen Umfang auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden Beschwerdeverfahrens angerechnet. Diese Entscheidung kann jedoch für andere Fallgestaltungen keine grundsätzliche Bedeutung beanspruchen, weil der BGH sie nur mit den Besonderheiten des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens erklärt hat.
  • Der III. Zivilsenat des BGH (RVGreport 2015, 72 [Hansens] = AGS 2015, 147 = zfs 2015, 105 m. Anm. Hansens) hat die Anrechnung einer vereinbarten Vergütung im Verhältnis zum erstattungspflichtigen Gegner nach dem Grundsatz von Treu und Glauben in dem Fall berücksichtigt, in dem der den Rechtsstreit beendende Vergleich auf der Grundlage geschlossen wurde, dass außergerichtlich eine anrechenbare Geschäftsgebühr angefallen und nicht – wie tatsächlich geschehen – eine Vergütungsvereinbarung getroffen worden war.
 

Praxishinweis:

Um eine Anrechnung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben im Verhältnis zum erstattungspflichtigen Dritten zu vermeiden, sollte der Prozessbevollmächtigte des Klägers deshalb in der Klagebegründung hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs für vorgerichtliche Anwaltskosten ausdrücklich darauf hinweisen, dass diese auf der Grundlage einer Vergütungsvereinbarung entstanden sind. Der Höhe nach kann der Anspruch dann auf die gesetzliche Vergütung – etwa eine 1,3 Geschäftsgebühr – beschränkt werden. Dazu müsste vorgetragen werden, dass aufgrund der Vergütungsvereinbarung eine höhere als die gesetzliche Vergütung geschuldet wird.

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