Gemäß § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB bestellt das Betreuungsgericht dem Betroffenen einen Betreuer, wenn jener aufgrund einer psychischen Erkrankung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann.

Eine Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 S. 2 BGB). Daher steht auch eine wirksam erteilte Vorsorgevollmacht grds. der Bestellung eines Betreuers entgegen (BGH FamRZ 2020, 1300 = MDR 2020, 996).

a) Wirksamkeit der Vollmachtserteilung

Dier Erteilung einer Vollmacht setzt die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen voraus. Die Frage, ob der Betroffene im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung nach § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig war, hat das Gericht nach § 26 FamFG von Amts wegen aufzuklären. Der BGH (FamRZ 2020, 1766 m. Anm. Schneider) weist darauf hin, dass dabei die Geschäftsfähigkeit kein medizinischer Befund ist, sondern ein Rechtsbegriff, dessen Voraussetzungen das Gericht unter kritischer Würdigung eines einzuholenden Sachverständigengutachtens festzustellen hat, ohne eigene medizinische Sachkunde in Anspruch zu nehmen. Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH FamRZ 1970, 545) gibt es keine relative, auf bestimmte schwierige Geschäfte beschränkte Geschäftsunfähigkeit, wohl aber kann eine sonst bestehende Geschäftsfähigkeit für einen gegenständlich beschränkten Kreis von Angelegenheiten ausgeschlossen sein (sog. partielle Geschäftsunfähigkeit). Kann die Unwirksamkeit einer Vorsorgevollmacht nicht positiv festgestellt werden, bleibt es bei der wirksamen Bevollmächtigung (BGH FamRZ 2020, 1766 = MDR 2020, 1318 = FuR 2020, 652 m. Hinw. Soyka; im Anschluss an BGH FamRZ 2016, 701).

b) Aufgabenkreis des Betreuers

  • Der Betreuer darf nur für einen Aufgabenkreis bestellt werden, in dem die Betreuung erforderlich ist (§ 1896 Abs. 3 S. 1 BGB). Für welchen Aufgabenkreis ein Betreuungsbedarf besteht, ist aufgrund der konkreten gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen (vgl. BGH FamRZ 2019, 638). Der BGH (FamRZ 2020, 1297 = MDR 2020, 1065; FamRZ 2020, 1588 = FuR 2020, 647 m. Hinw. Soyka) weist darauf hin, dass die Bestellung eines Betreuers für „alle Angelegenheiten” des Betroffenen nur in Betracht kommt, wenn dieser aufgrund seiner Erkrankung oder Behinderung keine seiner Angelegenheiten selbst besorgen kann. Zudem muss in all diesen Angelegenheiten, die die gegenwärtige Lebenssituation bestimmen, ein Handlungsbedarf bestehen. Die Befugnis zum Widerruf einer Vollmacht muss dem Betreuer auch dann als eigene Angelegenheit ausdrücklich zugewiesen werden, wenn i.Ü. eine Betreuung für alle Angelegenheiten eingerichtet ist (im Anschluss an BGH FamRZ 2015, 1702).
  • Ist der Betreuer für Vermögens- und Versicherungsangelegenheiten bestellt, so umfasst sein Pflichtenkreis auch die Geltendmachung von Ansprüchen des bei einem Unfall geschädigten Betreuten gegenüber dessen Unfallversicherer (BGH FamRZ 2020, 1298).

c) Betreuerauswahl

  • Grundsätzlich ist die Person zum Betreuer zu bestellen, die der Betroffene wünscht (§ 1897 Abs. 4 S. 1 BGB). Der BGH (FamRZ 2020, 1300 = MDR 2020, 996) betont erneut, dass der Vorschlag weder die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen erfordert noch seine natürliche Einsichtsfähigkeit. Es genügt der Wunsch des Betroffenen, ohne dass es auf seine Motivation ankommt. Der Wunsch kann nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person seinem Wohl zuwiderläuft. Dies setzt voraus, dass sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erheblichem Gewicht ergeben. Bei der Beurteilung der Frage, ob die gewünschte Person wegen erheblicher Bedenken an seiner Geeignetheit oder Redlichkeit als Betreuer ungeeignet erscheint, darf der Tatrichter einzelne Umstände bzw. Vorfälle nicht isoliert betrachten. Er hat vielmehr eine Gesamtschau derjenigen Umstände vorzunehmen, die für und gegen eine Eignung sprechen.
  • In einem Verfahren auf Betreuerbestellung hatte das LG die Beschwerde des Betroffenen gegen die Bestellung eines ausgewählten Betreuers mit der Begründung zurückgewiesen, dass die in § 1908b BGB genannten Voraussetzungen für die Auswechselung des Betreuers nicht vorlägen. Der BGH (FamRZ 2020, 1121) hat die Entscheidung mit dem Hinweis aufgehoben und zurückverwiesen, dass allein § 1897 BGB für die Betreuerauswahl im gesamten Instanzenzug maßgeblich sei. Mit der Anwendung des § 1908b BGB habe das LG den Blick auf § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB verstellt, wonach dem Betreuervorschlag des Betroffenen zu entsprechen ist, wenn es seinem Wohl nicht zuwiderläuft, ohne dass – wie bei § 1908b Abs. 3 BGB – maßgeblich ist, ob der Vorgeschlagene gleich geeignet ist wie der bereits bestellte Betreuer.

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