I. Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung

1. Ausgangspunkt und Ziel der Reform

"Straftaten dürfen sich nicht lohnen". Das soll durch die materiellen und prozessualen Vorschriften der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung gewährleistet werden (Überblick zur bisherigen Gesetzeslage bei Verfall und Einziehung im Strafverfahren bei Gehm StRR 11/2016, 3). Durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 (BGBl I, S. 872) sind die einschlägigen materiellen Vorschriften des StGB und die verfahrensrechtlichen Regeln der StPO mit Wirkung zum 1.7.2017 grundlegend neu gestaltet worden. Die früheren Vorschiften waren als äußerst komplex und unübersichtlich angesehen worden. Ziel der Änderung war die Vereinfachung des Rechts der Vermögensabschöpfung, das sich als sehr fehleranfällig erwiesen hat, die Stärkung der Position von Verletzten sowie die Schließung nicht vertretbarer Abschöpfungslücken (BT-Drucks 18/9592, S. 2).

 

Hinweis:

Streitig ist schon kurz nach Einführung der Reform deren Anwendung im Bereich des Jugendstrafrechts geworden. Grundsätzlich ergibt sich die Anwendbarkeit aus § 2 Abs. 2 JGG. Das AG Rudolstadt (Urt. v. 29.8.2017 – 312 1 Ds jug 312Js 11104/17, juris) hält die Anordnung der Einziehung von Taterträgen oder des Wertes von Taterträgen gegen Jugendliche oder Heranwachsende, auf die Jugendstrafrecht angewendet wird, gleichwohl mit Blick auf den Erziehungsgedanken für unzulässig, wenn der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Täters vorhanden ist. Demgegenüber hält das LG Trier (Urt. v. 27.9.2017 – 2a Ns 8031 Js 20631/16, juris) das jedenfalls bei einem Heranwachsenden für möglich. Es bleibt abzuwarten, wie sich insoweit die Obergerichte positionieren werden.

2. Quellen zur Fallbearbeitung

Der Beitrag stellt die wesentlichen Kernpunkte der Änderungen vor und unterzieht diese Reform einer ersten Bewertung, denn obwohl die Reform im Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Aufsatzes (Februar 2018) bereits über ein halbes Jahr in Kraft ist, hat sie in der Praxis noch nicht recht Fuß gefasst. Die einschlägige, noch spärliche Rechtsprechung wird nachfolgend zitiert.

 

Literaturhinweise:

Zur Reform der Vermögensabschöpfung ist weiterführend hinzuweisen auf die Aufsätze von Köllner/Mück NZI 2017, 593; Trüg NJW 2017, 1913 sowie (sehr detailliert) Köhler NStZ 2017, 497 und Köhler/Burkhard NStZ 2017, 665 mit zahlreichen Beispielsfällen, wobei allerdings der ministeriale Hintergrund zu beachten ist. Ergänzend ist auf die aktuelle Kommentierung von Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, zu verweisen sowie auf das von Generalstaatsanwaltschaft Celle herausgegebene Werk von Reitemeier/Koujouie, Das neue Recht der Vermögensabschöpfung – Ein Leitfaden für die Praxis, 2017.

Die Vorschriften zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung sind zwingendes Recht. Eine Nicht- oder Fehlanwendung führt bei einer Revision zur (Teil-)Aufhebung des Urteils. Dass der Geschädigte zur Verfolgung seiner zivilrechtlichen Ansprüche gegen den Angeschuldigten einen Rechtsanwalt beauftragt hat, berechtigt nicht, von der obligatorischen Einziehung des Tatertrags bzw. dessen Wertersatzes gem. §§ 73, 73c StGB abzusehen (AG Kehl, Beschl. v. 28.11.2017 – 3 Cs 308 Js 10383/17, juris).

 

Hinweis:

Unklar ist, ob die bislang in der Praxis üblichen Zustimmungen von Angeklagten zur außergerichtlichen Einziehung von sichergestellten Gegenständen oder Vermögenswerten noch entscheidungsersetzenden Charakter haben. Das OLG Celle (Urt. v. 19.10.2017 – 1 Ss 41/17, juris) scheint dies allerdings bei einem Altfall als zulässig zu erachten. Die Vorschrift des § 75 StGB über die Wirkung der Einziehung könnte dem jedoch entgegenstehen. Hier wird die weitere Entwicklung abzuwarten bleiben.

3. Kernpunkte der Reform

a) Terminologie: "Verfall" entfällt

Durch die Reform sind die Vorgaben zur klassischen Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten weitgehend unverändert geblieben (§§ 74 ff. StGB; nachfolgende Paragrafen des StGB sind solche i.d.F. vom 1.7.2017).

Grundlegend reformiert wurde hingegen der Verfall. Das beginnt bereits bei der Terminologie. Der Begriff des "Verfalls" wurde gestrichen. Stattdessen wird der Begriff "Einziehung" nunmehr als Oberbegriff für alle Formen der Vermögensabschöpfung verwendet. Der bisherige Verfall trägt nunmehr die Bezeichnung "Einziehung von Taterträgen" (§§ 73 ff. StGB), der frühere Verfall von Wertersatz heißt jetzt "Einziehung des Wertes von Taterträgen" (§ 73a StGB). Diese Namensänderung betrifft auch den bußgeldrechtlichen Verfall (des Wertersatzes) nach § 29a OWiG.

 

Hinweis:

Hintergrund dieser Vereinheitlichung der Begriffe ist die Anlehnung an die im Recht der Europäischen Union gebräuchliche Begrifflichkeit ("confiscation").

b) Opferentschädigung

aa) Ausgangspunkt

Einer der wichtigsten Punkte der Reform ist die grundlegende Umgestaltung der Opferentschädigung. Nach § 73 Abs. 1 S. 2 StGB a.F. konnte ein Verfall nicht angeordnet werden, soweit dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde. Insofern war seitens der Verfolgungsbehörden lediglich eine Rückgewinnungshilfe nach Beschlagnahme bzw. dinglichem Arre...

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