Tarifverträge sehen regelmäßig für die schriftliche außergerichtliche und/oder gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis Ausschlussfristen vor. Für die Wahrung einer solchen Frist kommt es auf den Zugang der Geltendmachung beim Arbeitsvertragspartner an. Dies ergibt sich aus der Vorschrift des § 130 Abs. 1 S. 1 BGB, die sich auf Willenserklärungen bezieht und auf rechtsgeschäftsähnliche Handlungen nach ständiger Rechtsprechung des BAG anzuwenden ist. In dem vom BAG zu entscheidenden Fall (Urt. v. 16.3.2016 – 4 AZR 421/15, NZA 2016, 1154) hatte der Kläger einen Differenzlohnanspruch für den Monat Juni 2013 mit einer beim Arbeitsgericht am 18.12.2013 eingegangenen Klage geltend gemacht. Die Klage wurde dem Arbeitgeber am 7.1.2014 zugestellt. Der für das Arbeitsverhältnis maßgebliche Tarifvertrag sah vor, dass der hier am 30.6.2013 fällige Anspruch innerhalb von sechs Monaten, mithin bis zum 30.12.2013 geltend zu machen war.

Der Kläger vertrat die Auffassung, die Ausschlussfrist sei gem. § 167 ZPO gewahrt. Hiernach tritt die fristwahrende Wirkung einer Zustellung bereits mit dem Eingang des Antrags bei Gericht ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

Die Anwendbarkeit des § 167 ZPO auf eine außergerichtliche schriftliche Geltendmachung ist umstritten. In der älteren Rechtsprechung des BGH und in der Literatur wurde die Ansicht vertreten, die Vorschrift komme lediglich in den Fällen zu Anwendung, in denen eine Frist nur durch Inanspruchnahme der Gerichte gewahrt werden könne. Der BGH hat durch Urteil vom 17.7.2008 (NJW 2009, 765) diese Rechtsprechung aufgegeben und hält seitdem § 167 ZPO grundsätzlich auch in den Fällen für anwendbar, in denen – wie vorliegend – durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung eingehalten werden kann. Innerhalb des BAG wird die Frage uneinheitlich entschieden. Der Achte Senat des BAG hat sich mit Urteil vom 22.5.2014 (NJW 2014, 2893) für die § 15 Abs. 4 AGG geregelte Frist zur schriftlichen Geltendmachung von Ansprüchen aus § 15 Abs. 1, Abs. 2 AGG der geänderten Rechtsprechung des BGH ausdrücklich angeschlossen. Der Dritte Senat hat hingegen mit Urteil vom 21.10.2014 (BAGE 149, 326) entschieden, auf die Rügefrist nach § 16 BetrAVG sei § 167 ZPO nicht anwendbar.

Das BAG verzichtet in der hier besprochenen Entscheidung auf eine abschließende Klärung dieser allgemeinen Streitfrage und entscheidet lediglich, dass es jedenfalls für die Wahrung einer tariflichen Verfall- oder Ausschlussfrist grundsätzlich erforderlich ist, dass das Geltendmachungsschreiben nach § 130 BGB dem Empfänger zugegangen ist, wobei § 167 ZPO nicht heranzuziehen ist. Das Gericht begründet dies vor allem mit den Besonderheiten des Arbeitsrechts in Verbindung mit der Auslegung tariflicher Verfallsfristenregelungen. Da der Senat seine Auffassung letztlich auf tarifvertragliche Verfallfristen und die auf sie zutreffenden Besonderheiten des Arbeitsrechts zurückführt, bedarf es seiner Meinung nach weder einer Vorlage an den gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 11 RsprEnhG oder an den Großen Senat des BAG nach § 45 ArbGG, weil die Voraussetzungen dieser Vorschriften nicht vorliegen.

 

Hinweise:

Der Gesetzgeber hat mit Wirkung ab dem 1.10.2016 § 309 Nr. 13 BGB geändert. Die Vorschrift sieht nunmehr vor, dass eine Bestimmung in AGB unwirksam ist, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, gebunden werden,

  1. an eine strengere Form, als die schriftliche Form in einem Vertrag, für den durch das Gesetz eine notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist oder
  2. an eine strengere Form, als die Textform in anderen als in Buchst. a) genannten Verträgen oder
  3. an besondere Zugangserfordernisse.

Nach bisheriger Rechtslage erklärte § 309 Nr. 13 BGB lediglich AGB-Klauseln für unwirksam, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die gegenüber dem Verwender oder einem Dritten abzugeben waren, an eine strengere Form, als die Schriftform oder an besondere Zugangserfordernisse gebunden waren.

Die Neuregelung wird nicht nur dazu führen, dass die Verwender ihre AGB anzupassen haben. Der Umstand, dass der Gesetzgeber beschlossen hat, in AGB ab dem 1.10.2016 nach Maßgabe von § 309 Nr. 13 BGB nur noch die Textform (s. § 126b BGB) zuzulassen kann Auswirkungen haben auf arbeitsvertragliche Ausschlussfristen, die Schriftform (§ 126 BGB) verlangen (s. hierzu Holthausen ZAP F. 17, S. 121 und Lingemann/Otte NZA 2016, 519). Anwendbar ist die Vorschrift auf Schuldverhältnisse, die nach dem 30.9.2016 entstanden sind (§ 37 zu Art. 229 EGBGB). Zu der Frage, ob die Erhebung einer Kündigungsschutzklage zur Hemmung der Verjährung von Zahlungsansprüchen nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB führt, s. BAG v. 24.6.2015, NZA 2015, 1256 und die Ausführungen von Stöhr NZA 2016, 210.

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