Das Ausbildungsverhältnis kann nach § 22 Abs. 1 BBiG während der Probezeit, die nach § 20 BBiG zu Beginn des Berufsausbildungsverhältnisses steht und mindestens einen Monat betragen muss, höchstens aber vier Monate, jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Nach der Probezeit ist die Kündigung nur unter den besonderen Voraussetzungen nach § 22 Abs. 2 BBiG möglich, sie bedarf nach § 22 Abs. 3 BBiG nicht nur der Schriftform, sondern auch einer Angabe der Kündigungsgründe.

In dem vom BAG durch Urteil vom 9.6.2016 (6 AZR 396/15, NJW 2016, 2972) entschiedenen Fall hatten die Parteien des Berufsausbildungsvertrags zur Dauer der Probezeit u.a. vereinbart: "Wird die Ausbildung während der Probezeit um mehr als ein Drittel dieser Zeit unterbrochen, so verlängert sich die Probezeit um den Zeitraum der Unterbrechung."

Das BAG sieht eine solche Regelung, die grundsätzlich der Kontrolle nach den §§ 307 ff. BGB unterliegt, weder gem. § 25 BBiG als nichtig an – nach dieser Vorschrift ist eine Vereinbarung, die u.a. von § 20 BBiG abweicht, nichtig – noch handele es sich hierbei um eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 2 S. 1 BGB. Das BAG entscheidet, dass die Verlängerung der Probezeit nach der Vertragsbestimmung nicht zu Ungunsten des Klägers als Auszubildenden abweicht. Auch Auszubildende haben ein Interesse daran, während der Probezeit das Ausbildungsverhältnis jederzeit gem. § 22 Abs. 1 BBiG lösen zu können, denn ihr Kündigungsrecht ist nach Ablauf der Probezeit, falls kein wichtiger Grund i.S.d. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG vorliegt, nach Satz 2 dieser Vorschrift sowohl an eine Frist als auch an abschließend im Gesetz festgelegte sachliche Gründe gebunden. Ferner verringert sich aus Sicht der Auszubildenden durch eine Verlängerungsvereinbarung zudem das Risiko, dass der Ausbildende das Vertragsverhältnis zum Ende der ansonsten nicht verlängerten Probezeit kündigt, weil ihm die Dauer der tatsächlichen Erprobung wegen erheblicher Fehlzeiten der Auszubildenden als nicht ausreichend erscheint. Nach Auffassung des Gerichts liegt die hier vereinbarte Verlängerung der Probezeit der Erfüllung des Zwecks der Probezeit und liegt damit im Interesse beider Vertragsparteien. Aus den gleichen Gründen soll die Vertragsbestimmung auch keine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 S. 1 Abs. 2 BGB enthalten. Die Verlängerung der Probezeit diene letztlich dem Ziel einer erfolgreichen Durchführung der Berufsbildung und steht im Gerechtigkeitskern mit der gesetzlichen Bewertung und Gewichtung der von § 307 BGB geschützten Interessen der Auszubildenden im Einklang.

Grundsätzlich kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen die Ausbildung ausgefallen ist und aus wessen Sphäre sie stammt. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben kann sich der Auszubildende aber dann nicht auf vertragliche Verlängerung der Probezeit berufen, wenn er die Unterbrechung der Ausbildung selbst vertragswidrig herbeigeführt hat. Solche Umstände waren jedoch im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.

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