Ende November fand – ausgerichtet von Bremen – die diesjährige Herbstkonferenz der Länderjustizminister statt, coronabedingt diesmal in digitaler Form. Die Ressortchefs hatten hierfür zahlreiche aktuelle Rechtsthemen auf der Agenda, von Inkassodienstleistungen über prozessrechtliche Fragen bis hin zum Straßenverkehr. Die für die Anwaltschaft interessantesten Beschlüsse sind nachfolgend kurz wiedergegeben:

  • Inkassodienstleistungen

    Die Länderjustizminister stellten zunächst fest, dass die Anzahl der Inkassodienstleister, die Aufträge über Internet-Tools generieren, in letzter Zeit zugenommen hat. Hier sehen sie Gefahren für die Verbraucher, weil durch standardisierte Legal-Tech-basierte Inkassodienstleistungen eine qualitativ hochwertige, interessengerechte Rechtsdienstleistung nicht im gleichen Maße sichergestellt sei wie bei einer individuellen Beratung und Vertretung durch einen Rechtsanwalt. Zugleich verweisen die Minister auf Einzelfallentscheidungen von Gerichten aus der letzten Zeit, die eine erhebliche Rechtsunsicherheit verursacht hätten, welche Geschäftsmodelle zulässig seien und welche nicht. Die Situation werde dadurch verschärft, dass mit der dynamischen Entwicklung von Legal-Tech-Tools immer wieder neue Geschäftsmodelle hinzukämen, deren Zulässigkeit im Einzelfall gerichtlich geklärt werden müsse. Diese nachhaltige Rechtsunsicherheit bringe für Verbraucher und den gesamten Rechtsdienstleistungsmarkt erhebliche wirtschaftliche Risiken mit sich. Mit Blick auf das vom Bundesjustizministerium geplante Gesetzesvorhaben zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt (vgl. dazu Anwaltsmagazin ZAP 23/2020, 1213 ff.) fordern sie, dass eine Neuregelung folgende Bedingungen erfüllt:

    • Das Kerngeschäft der Rechtsdienstleistung muss der Rechtsanwaltschaft vorbehalten bleiben.
    • Rechtsuchende müssen vor Beauftragung eines Inkassodienstleisters ausreichend über die Qualität der rechtlichen Prüfung sowie über die bestehenden Risiken von Mandatierung und Prozessführung aufgeklärt werden.
    • Der einzelne Rechtsuchende mit seinen individuellen Erfolgsaussichten muss auch bei der Rechtsdienstleistung eines Inkassodienstleisters im Mittelpunkt stehen.
  • Zukunft des Zivilprozesses

    Die Justizminister sind der Auffassung, dass der Zivilprozess bislang nur punktuell im „Zeitalter der Digitalisierung” angekommen ist. Mit Blick auf die Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Modernisierung des Zivilprozesses” (vgl. Anwaltsmagazin ZAP 15/2020, 782 ff.) wird die Bundesjustizministerin gebeten, zeitnah eine Kommission aus Vertreterinnen und Vertretern des Bundes, der Länder, der Gerichte, der Anwaltschaft, der Verbraucherverbände, der Wirtschaft und der Wissenschaft einzusetzen, die konkrete Vorschläge für den Zivilprozess der Zukunft ausarbeitet.

  • Elektronischer Geschäftsverkehr

    Die Länderjustizminister sind der Meinung, dass sich die Regelungen in § 312j Abs. 3 S. 2, Abs. 4 BGB (sog. Buttonlösung) für den Vertragsschluss bei Verbraucherverträgen im Internet in der Praxis bewährt haben. Es müsse jedoch für den Verbraucher eine ebenso einfache Möglichkeit für die Vertragsbeendigung eines Dauerschuldverhältnisses im elektronischen Geschäftsverkehr zur Verfügung gestellt werden. Das BMJV wird gebeten, sich auf EU-Ebene für die Einführung einer solche weiteren Buttonlösung einzusetzen.

  • Ermittlungsbefugnisse der Familiengerichte

    Mit Blick auf die anhaltend hohe Zahl von Kindesmisshandlungen sind die Justizminister der Auffassung, dass es weiterer Maßnahmen bedarf, um Kinder besser zu schützen. Vor allem reichen, so die Ressortchefs, die Ermittlungsbefugnisse der Familiengerichte in Kindschaftssachen, die Kinderschutzmaßnahmen zum Gegenstand haben, nicht aus, um das Kindeswohl zu sichern. Deshalb bedürfe es neuer gesetzlicher Regelungen, die es dem Gericht ermöglichen, körperliche oder psychiatrisch/psychologische Begutachtungen im Einzelfall auch gegen den Willen der Eltern i.R.d. tatrichterlichen Sachaufklärung durchzusetzen. Darüber hinaus halten die Minister die Einführung einer gesetzlichen Regelung für erforderlich, dass im Falle der Verweigerung der Begutachtung dies auch zum Nachteil des verweigernden Elternteils gewertet werden darf.

  • Kindesschutz im Familienverfahren

    Die Justizminister waren sich auch darüber einig, dass die Belastung kindlicher Opfer von Straftaten, die bereits im strafgerichtlichen Verfahren zum Tatvorwurf vernommen wurden, durch weitere Anhörungen im familiengerichtlichen Verfahren auf das unvermeidbare Mindestmaß beschränkt werden muss. Das Bundesjustizministerium wird daher gebeten, einen Regelungsvorschlag für eine Verwertung von zum Zwecke der Strafverfolgung nach § 58a StPO audiovisuell aufgezeichneten Opferzeugenvernehmungen im familiengerichtlichen Verfahren zu erarbeiten, der die Belastungen für kindliche Opfer verringert, die sich aus den derzeitigen Rahmenbedingungen – insb. der Notwendigkeit der Zustimmung – ergeben.

  • Wiederaufnahme lange zurückliegender Strafverfahren

    Die Justizministerinnen u...

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