Der Gesetzgeber hat durch Gesetz vom 19.5.2020 (BGBl I S. 1018) das SGB XI um die Vorschrift des § 150a ergänzt. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung wurden die zugelassenen Pflegeeinrichtungen verpflichtet, ihren Beschäftigten im Jahr 2020 zum Zweck der Wertschätzung für die besonderen Anforderungen während der Corona-Pandemie eine für jeden Beschäftigten einmalige Sonderleistung nach Maßgabe der Abs. 2-6 und 8 der Norm zu zahlen (Corona-Prämie). In Abs. 9 der Vorschrift ist vorgesehen, dass die Prämie durch die Länder oder die zugelassenen Pflegeeinrichtungen unter Berücksichtigung der Bemessungsgrundlagen der Abs. 1-6 über die dort genannten Höchstbeträge nach näherer Ausführung erhöht werden kann.

Die Parteien streiten über die Höhe des Bundes- und Landesanteils der Prämie und den zutreffenden Rechtsweg. Die Vorinstanzen haben die Gerichte für Arbeitssachen für zuständig angesehen. Mit der vom LAG zugelassenen Rechtsbeschwerde – statthaft nach § 17a Abs. 4 GVG und auch i.Ü. zulässig nach § 78 ArbGG, §§ 574 ff. ZPO – begehrt die beklagte Einrichtung weiterhin die Verweisung des Rechtsstreits an das örtlich zuständige Sozialgericht. Das BAG hat entschieden, für den Rechtsstreit sei der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet (BAG, Beschl. v. 1.3.2022 – 9 AZB 25/21, NZA 2022, 509 = NJW 2022, 1899).

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen allein für „bürgerliche Rechtsstreitigkeiten” zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zuständig. Ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch abgeleitet wird. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit kann nicht nur bestehen, wenn die Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen, sondern auch dann, wenn sie sich in einem Gleichordnungsverhältnis gegenüberstehen (s. BAG, Beschl. v. 1.8.2017 – 9 AZB 45/17, NZA 2017, 1143, Rn 9). Maßgeblich ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des bürgerlichen oder des öffentlichen Rechts geprägt wird. Das BAG entscheidet, das Rechtsverhältnis, aus dem der Kläger die geltend gemachten Ansprüche gegen seinen Arbeitgeber ableitet, sei ausschließlich öffentlich-rechtlicher Natur. Die erhobene Leistungsklage betrifft die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die dem Beklagten durch § 150a SGB XI und der hier einschlägigen Bestimmung der „Verwaltungsvereinbarung” des Landes auferlegt werden.

 

Hinweise:

1. Wie hier das Beschwerdegericht entscheiden auch weitere LAGe anders, unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG bzw. auf § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a ArbGG, s. Rn 12 des Urteils. Das BAG folgt dem jedoch nicht. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten soll auch für Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern um den Beitragszuschuss nach§ 257 Abs. 2 SGB V und den Arbeitgeberzuschuss nach § 172a SGB VI gegeben sein (LSG Bayern, Beschl. v. 28.4.2022 – L 1 SV 6/22 B). Die vom LSG zugelassene weitere Beschwerde ist beim BSG anhängig (Az. dort: B 12 SF 1/22 R).

2. Um die durch die Corona-Pandemie entstandenen Belastungen abmildern zu können, müssen die Zuwendungen die Empfänger auch erreichen und nicht Zugriffen von Vollstreckungsgläubigern ausgesetzt sein. Die Leistungen nach § 150a Abs. 1 und 2 SGB XI sind nach Abs. 8 S. 4 der Norm unpfändbar. Allgemein zur (Un-)Pfändbarkeit von Corona-Sonderzahlungen s. Ahrens NZA 2022, 152 und NJW-Spezial 2022, 341.

3. Zahlt ein Arbeitgeber, der nicht dem Pflegebereich angehört, freiwillig an seine Beschäftigten eine Corona-Prämie, ist diese als Erschwerniszulage gem. § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar, wenn ihr Zweck in der Kompensation einer tatsächlichen Erschwernis der Arbeitsleistung liegt, soweit die Prämie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt, so jetzt BAG, Urt. v. 25.8.2022 – 8 AZR 14/22, PM. Im konkreten Fall belief sich die vom BAG als unpfändbar angesehene Prämie über 400 EUR bei einem Monatslohn von 1.350 EUR brutto nebst Sonntagszuschlägen i.H.v. rd. 67 EUR brutto.

Für den Rechtsstreit über die Corona-Prämie nach § 150a SGB XI ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit – und nicht für die der Verwaltungsgerichtsbarkeit – eröffnet, da die Streitigkeit i.S.d. § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO ausdrücklich durch Bundesgesetz einem anderen Gericht zugewiesen wird. Dies ergibt sich aus § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 2 SGG, weil es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der sozialen Pflegeversicherung (SGB XI) handelt.

Von der Sonderzuweisung an die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ist auch der Streit der Parteien über die nach § 150a Abs. 9 SGB XI ermöglichte zusätzliche „Landesprämie” erfasst. Das Land hat vorliegend von der mit § 150a Abs. 4 S. 4 SGB XI durch Bundesgesetz eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, zu bestimmen, dass für die Landesprämie die Verfahrensregelungen anzuwenden sin...

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