Mit Urteil vom 16.5.2019 (8 AZR 315/18, NZA 2019, 1419) hat das BAG seine Rechtsprechung zur Benachteiligung wegen Schwerbehinderung nach § 81 und § 82 SGB IX a.F., jetzt § 154 und § 155 SGB IX (2018) fortgeführt.

Der Kläger begehrt eine Diskriminierungsentschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung. Die Beklagte ist eine Fraktion des Bayerischen Landtags. Im November 2016 schrieb sie zwei Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter aus. Der Kläger bewarb sich auf beide Stellen mit dem Hinweis auf seine Schwerbehinderung. Die Beklagte lud ihn nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein und teilte ihm mit, sie habe sich für andere Bewerber entschieden. Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Anspruch genommen. Die Beklagte habe ihn wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Dies folge insb.daraus, dass die Beklagte ihn entgegen der zum Schutz und zur Förderung von Schwerbehinderten im SGB IX getroffenen Bestimmungen des § 82 S. 2 SGB IX a.F. nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen habe. Die Beklagte sei ein öffentlicher Arbeitgeber i.S.v. § 71 Abs. 3 SGB IX a.F.

Die Klage war in allen drei Instanzen ohne Erfolg. Die Beklagte hat den Kläger nicht wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Sie hat keine zugunsten schwerbehinderter Menschen getroffenen Verfahrens- und/oder Förderpflichten verletzt, insb. war sie nicht nach § 82 S. 2 SGB IX a.F. verpflichtet, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Eine solche Pflicht trifft nur öffentliche Arbeitgeber i.S.v. § 71 Abs. 3 SGB IX a.F. Um einen solchen Arbeitgeber handelt es sich bei der Beklagten nicht, insb. ist diese keine sonstige Körperschaft des öffentlichen Rechts i.S.v. § 71 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX a.F., da ihr ein solcher Status nicht verliehen wurde.

 

Hinweise:

  1. Das LAG hatte zwei wichtige Fragen angesprochen: (1) Die Anhörungspflicht bei Nichtbestehen eines Personal-/Betriebsrats und (2) Die Einladungspflicht öffentlicher Arbeitgeber.
  2. Die Pflicht zur Anhörung und Unterrichtung eines schwerbehinderten Bewerbers gem. § 164 Abs. 1 S. 8 und 9 SGB IX (2018) besteht nur, wenn eine Schwerbehindertenvertretung oder ein Betriebsrat bzw. Personalrat oder eine sonst in § 176 SGB IX genannte Vertretung besteht. Dies zeigt der Vergleich mit der Erfüllung der Beschäftigungsquote. Das BAG (Urt. v. 21.2.2013 – 8 AZR 180/12, Rn 44 – juris) hat für den Fall, in dem ein Arbeitgeber die Beschäftigungsquote nach § 71 Abs. 1 SGB IX a.F. erfüllt und deshalb nicht verpflichtet ist, das Erörterungsverfahren gem. § 81 Abs. 1 S. 8 SGB IX a.F. durchzuführen, entschieden: Der Arbeitgeber sei dann nicht verpflichtet eine Unterrichtung gem. § 81 Abs. 1 S. 9 SGB IX a.F. (§ 164 Abs. 1 S. 9 SGB IX [2018]) durchzuführen, weil: (1) Satz 9 von der "getroffenen Entscheidung" spricht und (2) es andererseits systematisch unstimmig wäre, unabhängig vom Anhörungsverfahren eine Unterrichtungspflicht zu verlangen. Dasselbe gilt für den Fall, dass das Anhörungsverfahren mangels Existenz von Vertretungen, mit denen ein Anhörungsverfahren durchgeführt werden kann, nicht erfolgt.
  3. § 71 Abs. 3 SGB IX a.F. enthält eine Legaldefinition der "öffentlichen Arbeitgeber" im Sinne der Norm. Es liegt eine abschließende Aufzählung vor.

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